IQ Innovationspreis Mitteldeutschland für neuen Tuberkulose-Wirkstoff
Die Innovation des Jahres 2019 in Mitteldeutschland ist ein neuer Wirkstoff gegen Tuberkulose-Erreger. Er wird von einem Forscherteam des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) in Jena gemeinsam mit Partnern am Klinikum der LMU München und dem Unternehmen HAPILA GmbH Gera zum Medikament entwickelt.
Es war spannend bis zum Schluss: In einem mehrstufigen Wettbewerb hatten sich aus 155 Bewerbungen zehn Teilnehmer für die Finalrunde qualifiziert. Jeweils zwei Bewerber gehörten dabei einem der fünf branchenspezifischen Cluster an. Anlässlich der gestrigen Preisverleihung im Paulinum der Universität Leipzig kürte die Jury die Gesamtsieger des 15. IQ Innovationspreises Mitteldeutschland. Es sind Dr. Florian Kloß vom Leibniz-HKI in Jena, Dr. Julia Dreisbach vom Klinikum der LMU München und Dr. Uwe Müller, Geschäftsführer der HAPILA GmbH in Gera. Sie stehen für ein großes Team aus Wissenschaftlern, die gemeinsam den neuen Wirkstoff zur Marktreife bringen wollen.
Die am Leibniz-HKI entdeckte Substanz mit der Bezeichnung BTZ-043 hat bereits erfolgreich die klinische Prüfung der Phase I absolviert. Derzeit bereiten die Partner den Eintritt in die klinische Phase II vor, bei der der Wirkstoff an Tuberkulose-Patienten verabreicht wird. BTZ-043 weist einen völlig neuen Wirkmechanismus auf und ist daher auch gegen Tuberkulose-Erreger wirksam, die gegen herkömmliche Antibiotika resistent sind. Ein gravierender Vorteil angesichts von weltweit circa 1,5 Millionen Todesfällen jährlich, die durch Tuberkulose verursacht werden. Das Besondere dabei ist die Finanzierung der Medikamentenentwicklung aus öffentlichen Mitteln. So fördern die BMBF-finanzierten Forschungsverbünde InfectControl 2020 und Deutsches Zentrum für Infektionsforschung sowie der Freistaat Thüringen die kostspielige Entwicklung jeweils mit Millionenbeträgen; hinzu kommen hohe Eigenbeiträge der genannten Partner.
Die Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH, Ausrichter des Wettbewerbs, und die hochkarätig besetzte Jury mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft würdigen damit die in Deutschland einzigartige Initiative öffentlich finanzierter Institute im Bereich der Antibiotika-Entwicklung. Da sich ein Großteil der globalen Pharmaunternehmen aus dem wenig lukrativen Geschäft zurückgezogen hat, ist vor allem die Politik gefragt, hier umzusteuern.
„Dieser Preis ist wichtig, um Akteuren in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft alternative Entwicklungswege für dringend benötigte Medikamente aufzuzeigen. Zudem wollen wir das kreative Potential eines akademisch-mittelständischen Konsortiums im Bereich Infektionsbekämpfung und Pharmaentwicklung demonstrieren“ erklärt Dr. Kloß vom Leibniz-HKI in Jena.
Möglich wurde dieser neue Entwicklungsweg durch die gute Zusammenarbeit des überregionalen und interdisziplinären Teams. So werden am Leibniz-HKI hauptsächlich valide bioanalytische Methoden etabliert und die Verstoffwechselung von BTZ-043 im Organismus untersucht. Das Klinikum der LMU München tritt als Sponsor auf. Die Kollegen dort befassen sich mit der präklinischen und klinischen Entwicklung. „Die Genehmigung für eine klinische Studie zu erhalten, erfordert ein sehr komplexes Programm an Voruntersuchungen der Wirkstoffe. Diese finden sowohl im Reagenzglas als auch entsprechend der Vorschrift im Versuchstier statt. Das Programm muss individuell an den Wirkstoff angepasst werden. Im Falle von BTZ-043 ist uns dies auf Anhieb gelungen“, betont Dr. Dreisbach vom Klinikum der LMU.
Die Hapila GmbH in Gera verantwortet als etablierter Wirkstoffhersteller die richtlinienkonforme Entwicklung eines Syntheseverfahrens und die Herstellung der Substanz. Nur durch die enge Abstimmung und den kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen diesen Teams ist das komplexe Programm einer Arzneimittelentwicklung überhaupt zu bewältigen.
Den mit 15.000 Euro dotierten Gesamtpreis des IQ-Wettbewerbs vergeben gemeinsam die Industrie- und Handelskammern Leipzig, Halle-Dessau und Ostthüringen zu Gera. Die Gewinner werden zudem für ein Jahr Mitglied in der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland.
Weitere Informationen:
http://www.iq-mitteldeutschland.de
www.klinikum.uni-muenchen.de
http://www.tropinst.med.uni-muenchen.de/
Das Konsortium InfectControl 2020
In dem deutschlandweit agierenden Konsortium InfectControl 2020 haben sich Wissenschaft und Wirtschaft zusammengeschlossen, um Infektionskrankheiten langfristig zu vermeiden, schneller zu erkennen und konsequent zu bekämpfen. InfectControl 2020 wird im Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit circa 500 Wissenschaftler und Ärzte aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Damit bereitet das DZIF den Weg für die Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen Infektionen. Weitere Informationen: www.dzif.de.
Tuberkulose
Jährlich sterben circa 1,5 Millionen Menschen an den Folgen einer Tuberkuloseerkrankung. Der die Infektion auslösende Erreger Mycobacterium tuberculosis ist damit das Bakterium, das weltweit die meisten Todesopfer verursacht. Tuberkulose ist eine typische armutsassoziierte Krankheit. Sie betrifft vor allem Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Aufgrund der besonderen Eigenschaften des Erregers ist dessen Bekämpfung äußerst schwierig und erfordert meist eine Kombinationstherapie von vier Antibiotika, die über ein halbes bis zu zwei Jahre eingenommen werden müssen. Besonders problematisch sind Infektionen mit (multi-) resistenten Erregern, die mit herkömmlichen Antibiotika kaum zu behandeln sind.