Wie man Zellen zum Virusreservoir umprogrammiert
Forscher des Helmholtz Zentrums München haben die Infektionsstrategie des Epstein-Barr-Virus (EBV) beleuchtet. Die Analyse zeigt, wie das Virus menschliche B-Lymphozyten zu Wirtszellen programmiert, die als dauerhaftes EBV Reservoir dienen. Die Studie ist in PNAS veröffentlicht.
EBV ist eines der am weitesten verbreiteten Herpesviren des Menschen. Es hat eine Prävalenz von mehr als 90 Prozent. Das bedeutet, dass weltweit bis zu sieben Milliarden Menschen infiziert sind. Die Infektion findet in der Regel in der frühen Kindheit statt und bleibt lebenslang unbemerkt. Erfolgt die Infektion in der Pubertät oder im Erwachsenenalter, kann EBV eine akute Mononukleose auslösen, auch als Pfeiffer’sches Drüsenfieber oder Kusskrankheit bekannt. Dies erhöht das Risiko für Multiple Sklerose oder andere schwere Autoimmunerkrankungen. EBV ist auch mit Lymphomen assoziiert und vermutlich für ein bis zwei Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich.
Die Arbeitsgruppen von Wolfgang Hammerschmidt und Antonio Scialdone haben herausgefunden, wie es dem Virus gelingt, sich dauerhaft in Zellen einzunisten.In systematischen zeitaufgelösten Untersuchungen von Zellfunktionen und Transkriptionsprofilen verfolgten die Forscher, wie das Virus die infizierten B-Zellen neu programmierte. Innerhalb von nur 72 Stunden war der Prozess der Umwandlung in Antikörper-Produktionszellen eingeleitet. Die Produktion von Antikörpern ist charakteristisch B-Lymphozyten. Dieser Transformationsprozess wurde jedoch nicht vollständig abgeschlossen, da das Virus den letzten Schritt der zellulären Differenzierung blockiert. Gefangen In einem Zustand, der normalerweise nur vorübergehend ist, werden die Zellen für Monate und Jahre zum Wirt des Virus.
„Diese Strategie ist supersmart“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Hammerschmidt, Leiter der Abteilung Genvektoren. „Das Virus infiziert die Zellen, entkoppelt sie von ihrer Abhängigkeit von äußeren Signalen und schiebt ein zelleigenes Programm an, das die Immunzellen in ein Virusreservoir verwandelt“.
Die Forscher untersuchten sorgfältig die frühen Wechselwirkungen zwischen EBV und seinem zellulären Wirt, menschlichen B-Lymphozyten. Sie entwickelten zeitaufgelöste Infektionsexperimente mit Fokus auf die B-Zellbiologie und die Dynamik der zellulären und viralen Genregulation. „Wir haben Techniken des ‚machine learnings‘ eingesetzt und damit die frühen molekularen Schritte der B-Zell-Transformation entdeckt, die durch das streng kontrollierte Expressionsmuster viraler und zellulärer Gene gesteuert werden“, sagt Dr. Antonio Scialdone, Institut für Epigenetik und Stammzellen.
Weitere Informationen
Original-Publikation: Mrozek-Gorska, P. et al.: Epstein-Barr virus reprograms human B-lymphocytes immediately in the pre-latent phase of infection. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS). DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.1901314116