Entzündliche Erkrankungen: Neuer Antikörper mit therapeutischem Potential entwickelt
Ein internationales Team unter Beteiligung von DZL-Wissenschaftlern des Forschungszentrums Borstel entwickelte und testete einen neuen Antikörper, der gegen entzündliche Erkrankungen eingesetzt werden kann. Die Ergebnisse ihrer Studie publizierte es jetzt im Fachmagazin Nature Immunology.
Interleukine (IL) der IL-1-Familie spielen bei vielen Erkrankungen eine Rolle, da sie über ihr Rezeptorsystem entzündungsfördernd wirken (siehe Abbildung). Sie lösen in Immunzellen ein Signal aus, durch das Zytokine freigesetzt werden, die die Entzündung vorantreiben. Es existieren bereits Strategien, den jeweiligen Effekt einzelner Interleukine auszuschalten, um Krankheitssymptome zu lindern. Dabei blockiert man die spezifische Untereinheit des jeweiligen Interleukin-Rezeptors (z.B. IL-1R1, IL-1R4 oder IL-1R6), um zu verhindern, das krankheitsspezifische Interleukine andocken können. Einen neuen Weg beschreitet ein Projekt, an dem die Arbeitsgruppe von Dr. Michael Wegmann (Forschungszentrum Borstel) beteiligt war: Darin blockierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Untereinheit IL-1R3 mit dem neu designten Antikörper MAB-hR3. IL-1R3 ist im Gegensatz zu anderen Untereinheiten an der Signalweiterleitung aller sechs entzündungsfördernden Interleukine der IL-1-Familie beteiligt (siehe Abbildung, grün). Es stellte sich somit die Frage, ob man einen größeren entzündungshemmenden Effekt erzielt, als wenn man eine spezifische Untereinheit blockiert.
Tests des Antikörpers MAB-hR3 erfolgten in drei Erkrankungsmodellen in Mäusen: Bauchfellentzündung, Psoriasis und allergisches Asthma. In jedem der Modelle entsteht durch ein bestimmtes Interleukin-Profil eine pathologische Entzündungsreaktion, die zur Ausbildung der Krankheit führt. Tatsächlich zeigte sich in allen drei Fällen, dass die Behandlung mit MAB-hR3 die Symptome lindert. Dabei wirkte der Antikörper teilweise effektiver als die Blockade der spezifischen IL-1-Rezeptor-Untereinheit allein. Nachdem die Borsteler Wissenschaftler den Antikörper verabreicht hatten, wanderten in ihrem Modellsystem des allergischen Asthmas deutlich weniger Entzündungszellen in die – deutlich weniger verschleimten – Atemwege ein. Zudem verringerte sich die Intensität der ausgelösten Asthma-Anfälle.
Die Forschenden gehen davon aus, dass die hier erreichte Ausschaltung aller Signale über den IL-1-Rezeptor zu einer breiteren Entzündungshemmung führt, da nicht nur die Wirkung eines oder zweier sondern aller sechs Interleukine der IL-1-Familie ausgeschaltet wird. Dies könnte es zusätzlich ermöglichen, Begleiterkrankungen einzudämmen. Außerdem kann man so ausschließen, dass andere Zytokine das Fehlen eines einzelnen Zytokins kompensieren. Allerdings ist auch denkbar, dass die Behandlung das Immunsystem zu stark unterdrückt und so zu häufigeren Infektionen führt. „In der Tat müssen wir herausfinden, ob es zu Nebenwirkungen kommt, wenn ein so zentrales Molekül der Immunabwehr blockiert wird“, so Michael Wegmann, Leiter der Arbeitsgruppe Asthma-Exazerbation und -Regulation in Borstel. „Nichtsdestotrotz konnten wir mit unseren Untersuchungen zeigen, dass unser Antikörper ein großes therapeutisches Potential bei einer ganzen Reihe von IL-1-Rezeptor-abhängigen Erkrankungen wie dem Asthma besitzt.“
Für das Projekt arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA, den Niederlanden und Dänemark mit den DZL-Wissenschaftlern aus Borstel zusammen. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin Nature Immunology.
Weitere Informationen:
Originalpublikation:
Højen JF, Kristensen MLV, McKee AS, Wade MT, Azam T, Lunding LP, de Graaf DM, Swartzwelter BJ, Wegmann M, Tolstrup M, Beckman K, Fujita M, Fischer S, Dinarello CA (2019) IL-1R3 blockade broadly attenuates the functions of six members of the IL-1 family, revealing their contribution to models of disease. Nat Immunol 20: 1138-1149
Quelle: ARCN