HD-Mikroskopie in Millisekunden
Forschende der Universität verbessern superauflösende Mikroskopie
Sie können winzig kleine Zellstrukturen sichtbar machen: Modernste Lichtmikroskope bieten Auflösungen von wenigen zehn Nanometern – also dem Millionstel eines Millimeters. Bisher waren superauflösende Mikroskopien allerdings deutlich langsamer als herkömmliche Verfahren, da mehr oder feinere Bilddaten aufgenommen werden mussten. Forschende der Universität Bielefeld haben nun gemeinsam mit Partnern aus Jena das superauflösende Verfahren SR-SIM weiterentwickelt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass SR-SIM auch in Echtzeit sowie mit einer sehr hohen Bildfrequenz möglich ist – und damit geeignet, um zum Beispiel Bewegungen von sehr kleinen Zellpartikeln zu beobachten. Ihre Ergebnisse wurden heute (20. September) im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
„Erst dadurch wird diese Art von Mikroskopie für die Anwendung in der Biologie oder Medizin auch wirklich nützlich. Denn das Problem ist bisher: Mikroskope, die eine ausreichend hohe Auflösung bieten, können Informationen nicht in der entsprechenden Geschwindigkeit darstellen“, sagt Professor Dr. Thomas Huser, der die Arbeitsgruppe Biomolekulare Physik an der Universität Bielefeld leitet. Das Projekt zu SR-SIM wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Europäi-schen Union über Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen gefördert.
SR-SIM steht für „super-resolved structured illumination microscopy“ und ist ein fluoreszenzmikroskopisches Verfahren. Hierbei werden Objekte mit Laser-Licht bestrahlt. Dieses Licht regt besondere, fluoreszierende Moleküle in der Probe an, sodass sie Licht in einer anderen Wellenlänge wieder abstrahlen. Die mikroskopische Aufnahme zeigt dann das abgestrahlte Licht. „Im Unterschied zu herkömmlichen fluoreszenzmikroskopischen Verfahren werden die Präparate bei
SR-SIM jedoch nicht gleichmäßig, sondern über ein feines, gitterförmiges Muster beleuchtet. Diese spezielle Technik ermöglicht die viel höhere Auflösung“, sagt Huser.
Das Verfahren verläuft in zwei Schritten: Das vom Präparat abgestrahlte Licht wird zunächst in mehreren Einzelbildern aufgenommen. Aus diesen Rohdaten wird im Anschluss das fertige Bild auf einem Computer rekonstruiert. „Vor allem der zweite Schritt hat bisher sehr viel Zeit gekostet“, sagt Andreas Markwirth, ebenfalls von der Arbeitsgruppe Biomolekulare Physik der Universität Bielefeld. Er ist Erstautor der Studie. Die Bielefelder Forschenden haben daher zusammen mit Professor Dr. Rainer Heintzmann vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien sowie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena daran gearbeitet, das Verfahren schneller zu machen. Das Mikroskop ist nun so ausgelegt, dass die Rohdaten schneller erzeugt werden. Zudem nimmt auch die Bildrekonstruktion dank des Einsatzes von Parallelrechner-Verfahren auf modernen Grafikkarten deutlich weniger Zeit in Anspruch.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das neue Verfahren an biologischen Zellen getestet und die Bewegungen von Mitochondrien aufgezeichnet, etwa einen Mikrometer kleinen Zellorganellen. „Wir konnten ungefähr 60 Einzelbilder pro Sekunde erzeugen – das ist eine höhere Bildfrequenz als bei Kinofilmen. Zwischen Messung und Bild liegen weniger als 250 Milli-sekunden, daher erlaubt die Technik Echtzeitaufnahmen“, sagt Markwirth.
Bisher werden superauflösende oft mit herkömmlichen Verfahren kombiniert: Ein herkömmliches schnelles Mikroskop wird genutzt, um Strukturen zunächst zu finden. Danach können diese Strukturen über ein superauflösendes Mikroskop im Detail untersucht werden. „Manche Strukturen sind aber so klein, dass sie mit herkömmlichen Mikroskopen gar nicht erst gefunden werden können, zum Beispiel spezielle Poren in Leberzellen. Unser Verfahren ist sowohl hochauflösend als auch schnell – das ermöglicht Biologinnen und Biologen, solche Strukturen zu erforschen“, sagt Huser. Eine andere Anwendung für das neue Mikroskop ist die Untersuchung von Virenpartikeln auf ihrem Weg durch die Zelle. „So können wir nachvollziehen, was bei Infektionsprozessen genau passiert“, sagt Huser. Er erwartet, dass das Mikroskop im Laufe des nächsten Jahres für solche Studien an der Universität Bielefeld zum Einsatz kommen kann.
Superauflösende Mikroskope gibt es erst seit etwa 20 Jahren. Der Physiker Ernst Abbe hatte 1873 herausgefunden, dass die Auflösung eines optischen Systems für sichtbares Licht auf etwa 250 Nanometer begrenzt ist. In den vergangenen Jahren wurden jedoch gleich mehrere optische Verfahren entwickelt, um die Abbe’sche Auflösungsgrenze zu unterschreiten. Für die Entwicklung einer Superauflösung im Bereich von etwa 20 bis 30 Nanometer erhielten die US-Amerikaner William E. Moerner und Eric Betzig sowie der Deutsche Stefan Hell 2014 den Nobelpreis für Chemie.
Originalpublikation:
Andreas Markwirth, Mario Lachetta, Viola Mönkemöller, Rainer Heintzmann, Wolfgang Hübner, Thomas Huser, Marcel Müller: Video-Rate Multi-Color Structured Illumination Microscopy with Simultaneous Real-Time Reconstruction. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-019-12165-x, erschienen am 20. September 2019.