Morbus Crohn besser verstehen: Ausgezeichnete klinische Forschung für eine gezieltere Therapie
Florian Tran aus dem Clinician-Scientist-Programm des Exzellenzclusters PMI erhält Dissertationspreis der Fachgesellschaft für Gastroenterologie
Florian Tran, Wissenschaftler am Institut für klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Assistenzarzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, ist Freitag mit dem Ismar Boas-Preis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) für seine Dissertation ausgezeichnet worden. In seiner Doktorarbeit am IKMB unter der wissenschaftlichen Betreuung von Prof. Philip Rosenstiel, hat Tran untersucht, welchen Einfluss die Zugabe des Botenstoff Interleukin 22 (IL-22) im Zusammenspiel mit einer häufig vorkommenden genetischen Variation bei chronischentzündlichen Darmerkrankungen hat. Seine Forschung führt Tran nun als Clinician Scientist des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) fort.
Florian Tran will genauer verstehen, wie und warum chronische Darmentzündungen, wie etwa Morbus Crohn, entstehen. In seiner Doktorarbeit am IKMB hat er sich mit der Rolle des Gens ATG16L1 und dem Botenstoff IL-22 befasst. ATG16L1 gilt als Risikogen für die chronisch-entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn. Der Verlust der Funktion des Gens führt zu vermindertem Abbau von gealterten zellulären Strukturen und damit zu einer vermehrten Entzündung. Rund 20 % aller Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn weisen diese Genvariante auf, während sie in gesunden Menschen deutlich seltener vorkommt. Der Botenstoff IL-22 fördert unter anderem die Wundheilung in der Darmschleimhaut und gilt daher als vielversprechender Kandidat für ein Medikament bei chronischen Darmentzündungen. Der Stoff wird aktuell in klinischen Studien getestet.
„Unsere These war, dass IL-22 auch bei der Genvariante ATG16L1 die Wundheilung in der Darmschleimhaut fördern und damit gegen die Entzündung helfen würde“, beschreibt Tran die Ausgangslage. Doch das Gegenteil war der Fall. Bei Mäusen mit einem ausgeschalteten Atg16l1-Gen verstärkte sich die Entzündung mit Zugabe von IL-22 sogar deutlich, immer mehr Zellen starben ab. Die gewünschte Schutzfunktion von Interleukin-22 verwandelt sich bei Vorliegen der Genveränderung also in eine pro-entzündliche Wirkung. „Die Erkenntnisse machen deutlich, dass chronische Darmentzündungen individuell gesehen und behandelt werden müssen. Eine Genvariante z.B. im ATG16L1-Gen, kann beeinflussen, ob ein Botenstoff wie Il-22 schützend oder zerstörerisch wirkt. Das müssen wir unbedingt sorgfältig am Menschen untersuchen“, sagt der Doktorvater Prof. Philip Rosenstiel. „IL-22 wird bereits als Therapeutikum entwickelt. Wenn sich unsere Beobachtungen beim Menschen bestätigen, wird IL-22 also Menschen mit der Genvariante ATG16L1 nicht helfen“, so Rosenstiel weiter.
Klinik oder Labor – als Clinician Scientist geht beides
Am Ende seiner Doktorarbeit hat Florian Tran seine Weiterbildung zum Facharzt in der Inneren Medizin am UKSH, Campus Kiel, begonnen. In der Zeit hat er erlebt, wie schwierig es ist, als Assistenzarzt zusätzlich zum Klinikalltag noch zu forschen. „Mein Facharzt-Betreuer Professor Stefan Schreiber hat sich dafür eingesetzt, dass ich Freiräume für meine Forschung bekomme und etwa Dienstpläne flexibler gestaltet. Aber der Klinikalltag lässt da nicht viel Spielraum“, sagt Florian Tran. So blieb häufig nur das Wochenende oder der Feierabend zum Forschen. Seit ein paar Monaten wird er nun als Clinician Scientist des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) gefördert. Seitdem kann er seine Arbeitszeit jeweils zur Hälfte aufteilen: 50 % als Assistenzarzt in der Klinik 50 % als Wissenschaftler im Labor am IKMB.
„Ärztinnen und Ärzte, die gleichzeitig forschen, sind als Mittler zwischen Klinik und Grundlagenforschung unermesslich wichtig, aber viel zu selten. Bisher mussten die meisten Kliniker ihre Forschung quasi „nebenher“ in ihrer Freizeit durchführen. Mit dem neuen Clinician-Scientist-Programm unterstützen wir junge Ärztinnen und Ärzte während ihrer Facharztweiterbildung und ermöglichen ihnen geschützte Zeit für die Forschung“, erklärt Cluster-Sprecher Prof. Stefan Schreiber.
Florian Tran arbeitet sechs Monate am Stück am IKMB an seinen Forschungsprojekten, danach wird er sechs Monate in der Entzündungsambulanz am UKSH, Campus Kiel, seinen Facharzt weitermachen. Während seiner Laborzeit bildet Tran auch einen Medizindoktoranden aus, der dann in Trans Klinikzeit die Forschungsprojekte weiterführen kann.
Über den Preis:
Mit dem Ismar Boas-Preis zeichnet die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) einmal im Jahr die beste eingereichte Dissertation auf dem Gebiet der Ätiologie und Pathogenese der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten aus. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird auf dem Fachkongress Viszeralmedizin verliehen. In diesem Jahr findet die Tagung vom 2. bis 5. Oktober in Wiesbaden statt.
Über Florian Tran:
Florian Tran wurde 1991 in Kiel geboren. 2010-2018 studierte er Medizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Von 2013 bis 2019 promovierte er am Institut für klinische Molekularbiologie (IKMB) an der CAU und schloss die Promotion mit Summa cum Laude ab. Seit Februar 2017 ist er Assistenzarzt in der Klinik für Innere Medizin I am UKSH, Campus Kiel, mit gastroenterologischem Schwerpunkt. Seit 2019 wird er als Clinician Scientist vom Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ gefördert.
Originalpublikation:
Konrad Aden, Florian Tran, … and Philip Rosenstiel, ATG16L1 orchestrates interleukin-22 signaling in the intestinal epithelium via cGAS-STING, JEM (2018). http://doi.org/10.1084/jem.20171029