Immer schön im Takt bleiben
Wenn unsere innere Uhr falsch tickt, fördert das Stoffwechselerkrankungen und Infekte und mindert sogar die Wirkung von Impfungen / Die Chronomedizin steuert hier erfolgreich gegen
Alles was im Körper stattfindet, muss im Kontext des Tagesrhythmus gesehen werden. Die innere Uhr ist der Dirigent des Tagesrhythmus auf allen Ebenen und koordiniert fast alles, was im Körper stattfindet. Sie bestimmt also auch, wann biochemische Vorgänge am optimalsten stattfinden sollten – sei es der Schlaf oder auch die Wirksamkeit von Medikamenten oder der Abbau von Nahrung. Der Wissenschaftszweig der Chronobiologie beschäftigt sich mit diesen Vorgängen.
Aktuell untersuchen die Chronobiologen aber gar nicht mehr primär wie die innere Uhr auf einer zellulären und molekularen Ebene funktioniert, sondern, wie sich die innere Uhr auf den Rest der Physiologie auswirkt. Das heißt: was passiert bei Störungen der inneren Uhr mit dem Stoffwechsel, wie wirkt sich das auf die Ausprägung von Krankheiten aus und eben auch auf den Schlaf. Es findet gerade eine Translation der Erkenntnisse über die innere Uhr in die Medizin hinein statt. Damit setzt man auch neu an, Menschen mit Schlafproblemen zu helfen, denen bislang im Schlaflabor nicht geholfen werden konnte, weil ihr Schlaf selber nicht gestört ist, sondern nur zu falschen Zeiten stattfinden muss. Und wer zur falschen Zeit schlafen muss, der kann auch nicht gut schlafen.
Das noch junge Gebiet der Chronomedizin orientiert sich an den im Körper ablaufenden Prozessen des circadianen (lat.: circa = gegen, ungefähr; dies = Tag) Systems mit Hilfe zeitlich optimierter Diagnostik und Therapie. Insbesondere die Chronotherapie, also die tageszeitlich optimierte Gabe von Medikamenten, wird schon erfolgreich in der Therapie vieler Volkskrankheiten angewendet. Weitere chronomedizinische Ansätze, wie Intervallfasten, Lichttherapie oder die noch in der Erforschung befindlichen sogenannten Chronobiologicals, können Abweichungen der inneren Uhr ausgleichen und somit negativen Einflüssen des modernen 24/7-Lebensstils entgegenwirken. „Mit der Entwicklung von künstlichem Licht hat sich die effektiv nutzbare Zeit eines Tages, also unsere Aktivitätsphase, verlängert. Es ist nahezu unmöglich, sich in der eigentlichen Dunkelphase des Tages keinem künstlichen Licht auszusetzen. Beleuchtung ist allgegenwärtig. Auf diese Lichtverschmutzung kann sich unser Körper nur schwer einstellen“, erklärt Prof. Dr. Henrik Oster, Direktor des Instituts für Neurobiologie an der Universität zu Lübeck. Dies führt zu einer internen Chronodisruption, so der Fachbegriff, was nichts anderes bedeutet, als dass unsere inneren Uhren nicht mehr untereinander und mit der Tageszeit synchron laufen. Über einen längeren Zeitraum fördert das die Entstehung von Krankheiten, wie Verdauungsstörungen, Adipositas und Typ 2-Diabetes, aber auch psychischen Erkrankungen.
Auch das Immunsystem wird stark durch die circadiane Uhr reguliert. „Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Schlaf. Schlafen wir zu wenig oder zur falschen Zeit, hemmt dies die Effektivität der Immunantwort und wir werden anfälliger für Infekte. Unzureichender Schlaf kann überdies die Wirksamkeit von Impfungen beeinflussen“, weiß Henrik Oster. Der Chronophysiologe erforscht seit vielen Jahren die Funktion und Wirkung circadianer Uhren bei Mensch und Tier. „Zahlreiche Studien belegen, dass eine Stabilisierung des circadianen Systems sehr erfolgreich der Entwicklung von Krankheiten entgegen wirken kann. Als Beispiele können hier der Einsatz von Licht- und Melatonin-Therapien bei depressiven Erkrankungen oder das Intervallfasten bei Stoffwechselerkrankungen genannt werden“, sagt Professor Oster. Er ist sehr optimistisch, dass sich in Zukunft für jeden Patienten individuell chronobiologisch optimierte Therapien entwickeln werden, die das Entstehen einer Krankheit optimal beeinflussen, also das Krankheitsrisiko minimieren können.
Die Schlafmedizin hat als einziges medizinisches Fach circadiane Rhythmik in ihre Krankheitskonzepte integriert. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) stellt bei ihrer 27. Jahrestagung vom 7. – 9. November 2019 in Hamburg die innere Uhr und neue Ergebnisse der chronobiologischen Forschung in den Fokus. Dazu werden etwa 2000 Experten erwartet, die sich an drei Tagen in 39 Symposien und zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Sitzungen austauschen werden. Am Samstag, den 9. November findet für die interessierte Öffentlichkeit eine Informationsveranstaltung mit Schlafexperten statt. Alle Informationen zur Jahrestagung der DGSM finden Sie unter www.dgsm-kongress.de.
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