Hilfe bei Herzschwäche
Ein neuartiges Verfahren ermöglicht die schonende Verbesserung der Herzmuskelschwäche bei Patienten, denen zuvor nur mit einer offenen Herz-OP geholfen werden konnte. Eine neue Studie soll jetzt die langfristige Wirksamkeit ermitteln.
Von seinem ersten Herzinfarkt im Jahr 1984 konnte sich Lothar Boltzt aus Berlin noch nahezu vollständig erholen. Kurz nach dem Eintritt ins Rentenalter erlitt der heute 76jährige Maler allerdings wieder einen schweren Herzinfarkt. Trotz Bypass-OP, eingesetztem Defibrillator und bestmöglicher medikamentöser Therapie ließ die Leistung seines Herzmuskels zuletzt stark nach. Lothar Boltzt konnte ohne Pause nur noch wenige Meter zu Fuß gehen.
Der Grund: Bei einem Herzinfarkt sterben die betroffenen Bereiche des Herzmuskels ab und vernarben. Dieses Narbengewebe kann sich im weiteren Verlauf ausdehnen und zu einem sogenannten Aneurysma, also einer „Ausstülpung“ umformen. Das Blut aus diesem Aneurysma wird nicht in den Körper gepumpt, das durch die Vernarbung ohnehin geschwächte Herz verliert also weiter an Leistung.
Das „klassische“ Behandlungsverfahren dieser Erkrankung ist die chirurgische Entfernung des Aneurysmas und damit die möglichst weitgehende Wiederherstellung der natürlichen Form der linken Herzkammer. Dafür ist allerdings eine Operation am offenen Herzen nötig, bei der das Herz stillgelegt werden und der Kreislauf des Patienten von einer Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten werden muss.
Obwohl sich dieses Vorgehen in erfahrenen Händen bewährt hat – für bereits stark geschwächte Patienten wie Lothar Boltzt bedeutet eine offene Herz-OP eine erhebliche Belastung und ein entsprechend hohes OP-Risiko.
Der gebürtige Westfale war damit ein Kandidat für das neue „Revivent TC“ Verfahren, das in Kalifornien entwickelt und im DHZB als einer der ersten Kliniken Deutschlands vor zweieinhalb Jahren erstmals eingesetzt wurde.
Das Prinzip der neuen minimal invasiven Methode besteht darin, ein spezielles Ankersystem an die Ränder des Aneurysmas zu bringen, mit deren Hilfe das gesamte vernarbte Gewebe aus dem Herzen „ausgestülpt“ wird, sodass danach die linke Herzkammer, wie beim Gesunden, nur noch aus funktionierender Muskulatur besteht. Für diesen Eingriff, der unter Röntgen- und Ultraschallkontrolle vorgenommen wird, sind lediglich ein wenige Zentimeter langer Einschnitt seitlich am Brustkorb sowie ein Katheterzugang am Schlüsselbein nötig.
„Das Verfahren ist nicht für jeden von ischämischer Herzinsuffizienz betroffenen Patienten geeignet“, sagt Herzchirurg Dr. Felix Hennig, der die Eingriffe gemeinsam mit seinem kardiologischen Kollegen Dr. Christoph Klein durchführt, „wo anwendbar, ist es aber eine schonende neue Alternative, da wir auf eine Durchtrennung des Brustbeins und den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine verzichten können.
Acht Patienten wurden am DHZB bereits mit dem neuen Revivent-Verfahren behandelt, bislang geht es allen deutlich besser als zuvor. Der Eingriff wird am DHZB stets im Team von Kardiologen und Herzchirurgen und in einem modernen Hybrid-OP vorgenommen, der die Möglichkeiten eines Herzkatheter-Labors und eines Operationssaals ideal verbindet.
Lothar Boltzt ist der erste Patient, der nun in die europaweite Studie „REVIVE-HF“ aufgenommen wird, mit der die langfristige Wirksamkeit des Systems geprüft werden soll. Wissenschaftlicher Leiter der Studie ist Prof. Dr. med. Volkmar Falk, Ärztlicher Direktor des DHZB.
Zum Team, das das Revivent-Verfahren am DHZB anwendet und die Studie koordiniert, gehören neben Felix Hennig und Christoph Klein auch die Kardiologen Prof. Dr. med. Sebastian Kelle und Dr. med. Jan Knierim, der Anästhesist Dr. Alexander Mladenow, sowie Herzchirurg Prof. Dr. med. Christoph Knosalla, der chirurgische Leiter des DHZB Programms für Herzinsuffizienz und Transplantation.
Im Rahmen der neuen Studie soll die langfristige Wirksamkeit der Behandlungsmethode nun an 120 Patienten ermittelt werden. Ihre Werte werden dabei mit jenen anderer Patienten verglichen, die auf herkömmliche Weise, basierend auf den bisher gültigen medizinischen Richtlinien, behandelt werden.
„Die Studie ist ‘zweiarmig‘ und ‚randomisiert‘, was vereinfacht gesagt bedeutet, dass eine unbewusste oder bewusste Auswahl der Patienten ausgeschlossen ist, sei es nun zugunsten oder zuungunsten des neuen Verfahrens“, erläutert Projektkoordinator Sebastian Kelle.
Lothar Boltzt konnte jetzt aus dem DHZB entlassen werden. Seine Herzleistung hat sich signifikant verbessert. Und das macht sich für den 76jährigen auch subjektiv bereits deutlich bemerkbar. Auf dem Weg zum gemeinsamen Fototermin vor dem DHZB mussten die beiden begleitenden Ärzte ihren Patienten angesichts dessen flotten Tempos mehrfach ermahnen, es vorerst noch etwas ruhiger angehen zu lassen. „Und das“, so Boltzt, „wäre vor einem Monat noch undenkbar gewesen“.