Wie Chlamydien sich den Zugang zu menschlichen Zellen verschaffen
Veröffentlichung in Nature Communications
Infektionsbiologen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität Freiburg haben herausgefunden, wie das in Düsseldorf entdeckte LIPP-Protein den Chlamydien dabei hilft, menschliche Zellen zu infizieren. Diese Erkenntnisse können die Grundlage sein, um einer Chlamydieninfektion vorzubeugen. Die Ergebnisse der unter anderem von der Jürgen Manchot Stiftung geförderten Forschung stellte das Forschungsteam am 11. Oktober in der Fachzeitschrift Nature Communications vor.
Chlamydien sind Bakterien, die menschliche und tierische Zellen infizieren können. Menschen sind besonders von Chlamydia pneumoniae (Cpn) und Chlamydia trachomatis medizinisch betroffen. Chlamydia pneumoniae befällt die oberen und unteren Atemwege und verursacht Bronchitis, Sinusitis und Lungenentzündungen. Vor allem jedoch stehen Infektionen mit dem Bakterium in Verbindung mit vielen chronischen Erkrankungen wie chronische Bronchitis, Asthma, Atherosklerose und der Alzheimer-Demenz.
Diese Chlamydien vermehren sich ausschließlich innerhalb von menschlichen Zellen. Dazu müssen sie zuerst von außen an die Wirtszelle andocken und in einem nächsten Schritt in sie eindringen. Die Erforschung dieser beiden Mechanismen ist einer der Forschungsschwerpunkte am Institut für Funktionelle Genomforschung der Mikroorganismen unter der Leitung von Prof. Dr. Johannes Hegemann.
Jede Zelle wird von einer Membran, der sogenannten Plasmamembran, umschlossen. Diese Membran besteht aus vielen einzelnen Molekülen, den sogenannten Phospholipiden. Hinzu kommen Membranproteine, die für den Stofftransport zwischen Zellinnerem und äußerem Milieu sowie die Kommunikation zwischen Zellen zuständig sind. Ein Bestandteil der Membran ist das Phospholipid Phosphatidylserin, kurz PS. Es sitzt bei gesunden Zellen an der Innenseite der Membran, wird aber an deren Außenseite transportiert, wenn eine Zelle krank ist. Dort ist PS ein Marker dafür, dass die Zelle durch den sogenannten programmierten Zelltod (Apoptose) abgebaut werden soll.
In der Arbeitsgruppe von Prof. Hegemann wurde bei Cpn ein Protein namens LIPP gefunden, welches eine entscheidende Rolle bei der Kopplung des Bakteriums an eine menschliche Zelle spielt. Dieses Protein sitzt an der Bakterienoberfläche. In früheren Studien stellten die Düsseldorfer Forscherinnen und Forscher fest, dass eine Chlamydieninfektion mit Cpn erheblich gesteigert wird, wenn man LIPP künstlich hinzugibt.
Diese Erkenntnis war Ausgangspunkt für die Studie, deren Ergebnisse nun Forscher der HHU und der Universität Freiburg gemeinsam in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten. Sie beschreiben darin genauer die Funktion des LIPP-Proteins bei einer Cpn-Infektion.
Zum einen stellten sie fest, dass das LIPP-Protein direkt an die Plasmamembran bindet und nach der Bindung die Membran durchdringt. Mehrere LIPP-Moleküle bilden anschließend eine Pore in der Plasmamembran aus.
Dann aber transportiert das gebundene LIPP die sonst an der inneren Membranseite sitzenden PS-Moleküle nach außen. Mit LIPP wurde zum ersten Mal ein Protein identifiziert, welches bei Zugabe von außen einen Bestandteil der inneren Membranseite auf die Oberfläche der Zelle transportiert. Überraschenderweise löst dies nicht den Zelltod aus, sondern die Zelle ist weiterhin lebensfähig. Dies gilt sowohl für Zellen, die nur mit den LIPP-Proteinen allein konfrontiert sind, als auch für den Befall mit Chlamydien.
Das Forschungsteam vermutet, dass es für das Chlamydium vorteilhaft ist, durch sein LIPP-Protein das PS-Molekül der Wirtszelle nach außen transportieren zu lassen. Möglicherweise ist an der Stelle, an der das PS mit dem LIPP-Protein auf der Membran sitzt, letztere so verformt, dass das Chlamydium leichter in die Zelle eindringen kann. Auch mögen die auf die Membranaußenseite der Humanzelle transportierten PS-Moleküle als Rezeptor für das Bakterium dienen.
Dr. Jan Galle, Erstautor der Studie, zu den Perspektiven, die sich aus diesen Ergebnissen ergeben: „Das LIPP-Protein ist jetzt zum Ziel für Wirkstoffe gegen eine Chlamydieninfektion geworden. Gelingt es, die Funktion des LIPP-Proteins durch ein Medikament zu hemmen, kann möglicherweise eine Infektion verhindert werden.“ Ebenfalls kann jetzt danach gesucht werden, ob andere Krankheitserreger ein ähnliches Werkzeug wie Chlamydien besitzen, um in Humanzellen einzudringen. „Wenn dem so wäre, kann darauf eine umfassende Strategie gegen pathogene Bakterien fußen“, betont Prof. Hegemann.
Förderung durch die Jürgen Manchot Stiftung und den SFB 1208
Das LIPP-Protein wurde im Rahmen der Forschung in der von der Jürgen Manchot Stiftung geförderten Graduiertenschule „Moleküle der Infektion – MOI“ entdeckt und im Rahmen eines Manchot-Promotionsstipendiums weiter charakterisiert. Daraus entwickelte sich das Teilprojekt A5 im DFG-geförderten Sonderforschungsbereich 1208 „Identity and Dynamics of Membrane Systems“ an der HHU, in dem dann die entscheidenden Entdeckungen zur LIPP Funktion gelangen.
Originalpublikation
Galle JN, Fechtner T, Eierhoff T, Römer W, Hegemann JH, A Chlamydia pneumoniae adhesin induces phosphatidylserine exposure on host cells, Nature Communications 2019 Oct 11;10(1):4644
DOI: 10.1038/s41467-019-12419-8