Weichenstellung schon im Kindesalter: Starkes Übergewicht als Wegbereiter für ein Metabolisches Syndrom
Etwa 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland haben Übergewicht, 800 000 davon sogar starkes Übergewicht (Adipositas). Je ausgeprägter die Adipositas, desto höher ist das Risiko der jungen Menschen, ein so genanntes Metabolisches Syndrom zu entwickeln – eine komplexe Stoffwechselstörung, die sowohl die Lebensqualität als auch die Lebenserwartung beeinträchtigt. Welche Präventions- und Therapiemöglichkeiten es gibt, um Kinder vor dieser gesundheitlichen Fehlentwicklung zu bewahren, wird auf der 13. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG) in Leipzig diskutiert. Bereits im Vorfeld der Tagung, am 5. November 2019, stellen Expertinnen und Experten das Thema auf einer Pressekonferenz in Berlin vor.
Vom Metabolischen Syndrom sprechen Mediziner, wenn starkes Übergewicht den Stoffwechsel derart negativ verändert, dass es zu Folgeschäden wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder einem krankhaft erhöhten Blutzuckerspiegel kommt. „Bei bis zu 60 Prozent der Jugendlichen mit starker Adipositas findet man bereits in der Pubertät mindestens eine dieser Folgeerkrankungen“, sagt PD Dr. med. Susanna Wiegand, Leiterin des Bereichs Adipositas am Sozialpädiatrischen Zentrum der Charité Berlin und Vizepräsidentin der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). Unbehandelt drohen die Stoffwechselentgleisungen in manifeste und lebensbedrohliche Erkrankungen zu münden. Je nach Ausmaß des Übergewichts und der familiären Vorbelastung steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber oder Diabetes Typ 2 – Krankheiten, die lange Zeit als typische Alterskrankheiten galten.
Dreh- und Angelpunkt bei der Entstehung des Metabolischen Syndroms ist eine nachlassende Insulinempfindlichkeit: Als Reaktion auf reichlich vorhandenen Blutzucker produziert der Körper das blutzuckersenkende Hormon zwar noch; die Zielzellen des Insulins in Muskeln, Leber und Fettgewebe reagieren jedoch immer weniger darauf. „Das hat vielfältige Auswirkungen im Körper, die letztlich zum Metabolischen Syndrom führen“, erklärt Wiegand. Die gute Nachricht sei jedoch, dass die Insulinsensitivität sich durch eine Lebensstilveränderung sehr rasch wieder steigern lasse. Gesündere und maßvollere Ernährung, sowie mehr körperliche Aktivität verbesserten die Stoffwechselsituation deutlich. Wenn diese Umstellungen jedoch nicht gelängen oder nicht ausreichten, um ein Metabolisches Syndrom zu verhindern, müssten die jeweiligen Komponenten schon in jungen Jahren konsequent behandelt werden – etwa durch Blutdruck- oder Cholesterinsenker oder eine Diabetes-Typ-2-Medikation.
Der bessere Weg sei es jedoch immer, den Stoffwechsel durch ein verändertes Ernährungs- und Bewegungsverhalten wieder ins Lot zu bringen, betont auch Dr. med. Nikolaus Scheper, Tagungspräsident der Herbsttagung und 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Niedergelassener Diabetologen. Für die jungen Patienten sei es dabei wichtig und motivierend zu wissen, dass positive Effekte nicht erst dann einsetzten, wenn man Normalgewicht erreicht habe: „Die Insulinsensitivität verbessert sich schon deutlich, wenn die Betroffenen sich mehr bewegen – auch ohne Gewichtsverlust.“ Es sei daher eine wichtige gesundheitspolitische Aufgabe, auf Ernährung und Bewegung gerichtete Therapieangebote zu erhalten und auszubauen. Solche Angebote, die im Idealfall auch die Familie der übergewichtigen Kinder einbezögen, hätten nicht nur in der Therapie, sondern auch bei der Prävention der Adipositas einen hohen Stellenwert.
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