Cladribin-Tabletten bei hochaktiver schubförmiger MS: Expertenfazit nach langjähriger Studienerfahrung und zwei Jahren Routinebehandlung
Der Wirkstoff Cladribin reduziert gezielt die Immunzellen, die bei Multipler Sklerose (MS) das eigene Nervensystem angreifen. Cladribin ist seit 2017 in Tablettenform auf dem Markt, zugelassen für die hochaktive schubförmige MS. Auf eine kurze Behandlungsphase von max. 10 Tagen folgt eine Pause von einem Jahr, der sich eine weitere Behandlungsphase anschließt. Nach nunmehr zwei Jahren Einsatzes im Praxisalltag zog ein Expertengremium ein positives Fazit zur Wirksamkeit und Sicherheit von Cladribin-Tabletten.*
Begutachtung sämtlicher Behandlungsdaten aus Studien und klinischer Praxis
Die Therapie mit Cladribin-Tabletten über zwei Behandlungsjahre kann nach bisherigen Ergebnissen die Erkrankung für mind. 4 Jahre stabilisieren. Dies bestätigte sich in einer klinischen Beobachtungsstudie mit 941 Patienten: Bei einer mittleren Beobachtungsdauer von 4,5 Jahren benötigten 66 % der Patienten nach ihrer letzten Dosis in Behandlungsjahr 2 keine weitere Therapie. Cladribin-Tabletten scheinen damit vergleichbar wirksam wie sogenannte „hochwirksame“ MS-Wirkstoffe (Berardi et al., 2019 im Fachjournal Current Medical Research and Opinion veröffentlicht) zu sein. Das Expertengremium schloss daraus, dass auch Cladribin-Tabletten als „hochwirksame Therapie“ für die aktive MS eingestuft werden sollten.
Bestätigte Sicherheit aus 14 Jahren klinischer Erfahrung
Zur Sicherheit der Therapie lagen Daten aus 14 Jahren klinischer Studien zusätzlich zur neueren Praxiserfahrung vor. In den Periodischen Sicherheitsreports der ersten beiden Jahre nach Zulassung des Medikaments gab es bei etwa 8500 behandelten Patienten bis Juli 2019 keine Hinweise auf bisher unerwartete Nebenwirkungen.
Aufgrund des Wirkmechanismus gab es vorhersehbar mehr Fälle von Lymphopenie (7,94 Fälle gegenüber 1,06 Fälle mit Placebo pro 100 Patientenjahre) und von erniedrigten Lymphozytenzahlen (0,78 versus 0,10 Fälle mit Placebo pro 100 Patientenjahre). Etwa viermal häufiger traten Erkrankungen mit dem Virus Herpes zoster auf, das Windpocken oder Gürtelrose auslösen kann. Zu anderen schlummernden Infektionen mit Viren (besonders Tuberkulose und Hepatitis B/C) erfolgt vor Therapiebeginn in Jahr 1 und 2 ein Screening. Insgesamt war das Infektionsrisiko nicht höher als unter Placebo.
Schwangerschaft 6 Monate nach letzter Einnahme im 2. Behandlungsjahr gut planbar
Die Experten diskutierten auch mögliche Schwangerschaften von Patientinnen. Bislang traten keine angeborenen Fehlbildungen auf. Empfohlen wird jedoch eine Schwangerschaft frühestens 6 Monate nach der letzten Einnahme der Cladribin-Tabletten im 2. Behandlungsjahr und damit für die therapiefreie Phase zu planen.
Zwei Jahre nach Zulassung der Tabletten zogen die Experten damit ein positives Fazit. Sie werteten Cladribin-Tabletten als wichtige Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten bei hochaktiver schubförmiger MS mit einem oralen Kurzzeit-Behandlungsschema und möglicher mehrjähriger Stabilisierung der Erkrankung. Die Sicherheit der Behandlung bestätigte sich im Überblick der klinischen Studien und Praxiserfahrung.
* Interdisziplinäres Expertengremium zur aktuellen Datenlage: Cladribin-Tabletten bei hochaktiver schubförmiger Multipler Sklerose – Status 2 Jahre nach EMA-Zulassung. Kongress aktuell 09/2019. Sonderpublikation Deutscher Ärzteverlag.