Bessere Versorgung von Jugendlichen mit Adipositas
Forscherteam um Professor Dr. Martin Wabitsch erarbeitet neues Behandlungskonzept bei extremer Adipositas
Rund 200.000 Jugendliche leiden in Deutschland an extremer Adipositas – einer massiven Vermehrung von Körperfett. Eine körperliche aber auch psychische Belastung für die jungen Patient*innen. In der multizentrischen „JA“- Studie wurden nun erstmals Informationen für eine bessere Betreuung und Behandlung von Jugendlichen mit extremer Adipositas gesammelt und untersucht. Geleitet und koordiniert wurde die Studie von Professor Dr. Martin Wabitsch, Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm.
Im Zuge der Studie untersuchten die beteiligten Expert*innen von 2012 bis 2019 431 junge Menschen mit extremer Adipositas in Deutschland. Aus den Ergebnissen entstand
nun ein fundiertes und standardisiertes Betreuungs- und Behandlungskonzept sowie eine Checkliste mit Kriterien für einen chirurgischen Eingriff bei extrem adipösen Jugendlichen sowie ein Schulungsprogramm zur Vor- und Nachsorge. Die hohe Zahl der Studienteilnehmer*innen macht die Studie wohl weltweit einzigartig, da sich die Rekrutierung von Proband*innen dieser Patientengruppe schwierig gestaltet. „Gerade junge Erwachsene mit extremer Adipositas suchen meist nicht nach medizinischen Behandlungsmöglichkeiten. Sie fühlen sich diskriminiert und kämpfen in unserer Gesellschaft oft mit Stigmatisierung“, so Studienleiter Professor Dr. Martin Wabitsch. „Wird eine extreme Adipositas im Jugendalter nicht behandelt, kann dies zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Depressionen oder orthopädischen Problemen führen“, ergänzt der Kinder- und Jugendarzt.
Die Studie umfasste ein Drei-Phasen-Programm, in dem sich die jungen Patient*innen im ersten Schritt auf ihren körperlichen und psychischen Gesundheitszustand untersuchen lassen konnten. So konnte die weitere Betreuung der Patient*innen festgelegt werden. Die zweite Phase bestand in einem drei- bis sechs-monatigem Gruppenprogramm, mit dem Ziel die Lebensqualität und Krankheitsakzeptanz der Patient*innen zu verbessern. In der dritten und letzten Phase wurde den Jugendlichen dann eine individuelle Therapie angeboten, unter anderem auch ein bariatrischchirurgischer Eingriff, um eine langfristige Gewichtsreduktion erreichen zu können.
Unterstützt wurde die „JA“-Studie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund vier Millionen Euro. Neben dem Universitätsklinikum Ulm waren die Berliner
Charité, das Universitätsklinikum Leipzig, das LVR- Klinikum Essen sowie die Vestische Kinder- und Jugendklinik Dattel als Studienzentren an dem Projekt beteiligt. Die Ergebnisse sind vor allem für Krankenkassen interessant, die nun auf der Grundlage der Studie besser entscheiden können, für welche Therapie der* die jeweilige Patient*in Unterstützung
bekommen sollte.