Wenn der Hemmstoff aktiviert – Zu geringe Dosis hat schwerwiegende Folgen

Ein Wirkstoff soll eine Reaktion im Körper unterdrücken, stattdessen verstärkt er sie zusätzlich: Dieser Effekt kann zum Beispiel in der Krebstherapie fatal sein, wenn es darum geht, das unkontrollierte Wachstum erkrankter Zellen zu hemmen? Ein internationales Team unter Leitung der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat nun eine Erklärung für diesen paradoxen Effekt gefunden.

Dass ein Medikament einen Prozess aktiviert statt ihn wie geplant zu hemmen, geschieht vor allem dann, wenn der Wirkstoff in nur geringer Konzentration am Zielort ankommt und dort zudem mehrere potenzielle Bindestellen vorliegen. Das fanden Wissenschaftler um UDE-Professor Dr. Michael Ehrmann heraus und publizierten ihre Erkenntnisse im Fachjournal PNAS.

Den Forschern zufolge führen in diesem Fall strukturelle Veränderungen am Zielort dazu, dass die freigebliebenen Bindestellen noch aktiver werden als ohne gebundenen Hemmstoff. Der Sinn der Therapie ist damit nicht nur verfehlt, sondern sogar ins schädliche Gegenteil verkehrt.

Ursache der fehlgeschlagenen Behandlung ist in diesen Fällen eine zu geringe Bioverfügbarkeit: Sie gibt an, wie viel Wirkstoff tatsächlich am Zielort angekommen ist, denn Medikamente verteilen sich nicht gleichmäßig im Körper.

„Der Effekt ist nun bekannt und kann überprüft werden“, erklärt Ehrmann. „Wir schlagen daher vor, die mögliche unerwünschte Aktivierung bei der Entwicklung von Medikamenten zu berücksichtigen.“

Originalpublikation:

„Activation by substoichiometric inhibition.“
Merdanovic M, Burston SG, Schmitz AL, Köcher S, Knapp S, Clausen T, Kaiser M, Huber R, Ehrmann M., PNAS, 2020 Jan 6.
doi: 10.1073/pnas.1918721117
https://www.pnas.org/content/early/2020/01/03/1918721117