Depression
Bipolare Störung: Licht und Dunkel aus dem Rhythmus – stellt Chronotherapie eine Chance dar?
Original Titel:
The chronotherapeutic treatment of bipolar disorders: A systematic review and practice recommendations from the ISBD task force on chronotherapy and chronobiology.
- Bipolare Störung: Aus dem Rhythmus geraten zwischen Licht und Dunkel
- Systematischer Review zur Wirksamkeit chronotherapeutischer Behandlungen
- Lichttherapie, Dunkeltherapie, Schlafentzug, Medikamente und Verhaltensansätze
- Hinweise auf akute Wirkung von Licht und Schlafentzug bei Depression sowie Prophylaxe durch Verhaltensansätze
MedWiss – Licht und Dunkel aus dem Rhythmus, Schlaf und Ruhe gestört, Tag-Nacht-Abläufe im Chaos: Bei der Bipolaren Störung gehört dies mit zu den deutlichsten Symptomen. Ob die Chronotherapie mit Behandlungen des Tag-Nacht-Rhythmus und Schlafes zu einer zusätzlichen Linderung der Stimmungssymptome der Bipolaren Störung beitragen kann, ermittelten Forscher nun in einem systematischen Review der Forschungsliteratur.
Chronotherapie ist ein vielfältiges Feld von Ansätzen, mit denen Einfluss auf den Tag-Nacht- oder Schlaf-Wach-Rhythmus ausgeübt wird. Bei Erkrankungen wie der Bipolaren Störung kann sich dieser Rhythmus je nach Krankheitsphase, analog zu der jeweils veränderten Stimmung und Energie, deutlich vom Normalzustand unterscheiden. Schlafstörungen treten allerdings, wenn auch in unterschiedlicher Form, sowohl in depressiven als auch in manischen Phasen auf. Therapeutische Normalisierungen des Rhythmus sollen auch auf die Stimmung normalisierend rückwirken. Zu den chronotherapeutischen Behandlungen zählen Therapien mit hellem Licht, Dunkeltherapie, Behandlungen mit kontrolliertem Schlafentzug, medikamentöse Behandlungen mit melatonergen Agonisten, Therapien mit Bezug zum interpersonellen sozialen Rhythmus sowie spezialisierte, kognitive Verhaltenstherapie.
Bipolare Störung: Aus dem Rhythmus geraten zwischen Licht und Dunkel
Wie wirksam und verträglich sind solche chronotherapeutischen Behandlungen bei der Bipolaren Störung? Um diese Frage zu beantworten, führten Forscher nun einen systematischen Review der aktuellen Forschungsliteratur in den Datenbanken MEDLINE, Embase, CENTRAL (Cochrane) und PsycINFO durch.
Systematischer Review zur Wirksamkeit chronotherapeutischer Behandlungen
Zur Therapie mit hellem Licht konnten 13 Studien in die Übersicht aufgenommen werden. Zum Schlafentzug genügten 21 Studien den Einschlusskriterien. Zum Thema Dunkeltherapie fanden sich lediglich drei Veröffentlichungen, die berücksichtigt werden konnten. 7 Studien zum Einsatz von Medikamenten mit Effekt auf das Melatonin-System wurden in den Review aufgenommen. Zu den behavioralen Ansätzen fanden sich 8 Studien zum interpersonellen sozialen Rhythmus sowie eine Studie, in der Patienten mit Bipolarer Störung mit einer kognitiven Verhaltenstherapie zur Behandlung von Schlafstörungen.
Lichttherapie, Dunkeltherapie, Schlafentzug, Medikamente und Verhaltensansätze
Insgesamt zeigte sich über die Studien hinweg, dass die Chronotherapien allgemein gut verträglich und sicher waren. Einen akut antidepressiven Effekt von Lichttherapie unterstützten mehrere offen durchgeführte Studien, drei randomisiert kontrollierte Studien sowie eine pseudorandomisierte, kontrolliert durchgeführte Untersuchung. Mit Schlafentzug zeigte sich ein rascher, akut antidepressiver Effekt bei zwischen 43,9 % und 59,4 % der Fälle in acht Fallserien, 11 unkontrollierten Studien und einer randomisiert kontrollierten Studie. Ergänzend eingesetzte Dunkeltherapie erreichte signifikante, schnell anti-manische Effekte in einer randomisiert-kontrollierten und einer kontrollierten Studie.
Die medikamentöse Behandlung mit melatonergen Agonisten erreichte dagegen nur begrenzte Ergebnisse und ergab widersprüchliche Effekte auf manische wie depressive Phasen. Allerdings zeigten zwei Fallserien verbesserten Schlaf in sowohl akuten als auch euthymen („normalen“ Phasen) Stadien. Verhaltensmethoden mit Fokus auf soziale Rhythmen erreichten in Monotherapie bei bipolarer Depression (Bipolare Störung Typ II) akute Ansprechraten zwischen 41 % und 67,4 % je nach Studientyp. Ergänzend zu einer Behandlung mit Quetiapin bei bipolarer Depression eingesetzt, wurde ebenfalls ein Effekt auf die Depression gefunden. Zwei weitere Studien berichteten gesenkte Rückfallraten mit dieser ergänzenden Therapiemethode. Bei Patienten mit Bipolarer Störung und Schlafstörung in euthymen Phasen (normale Stimmungslage) konnte eine angepasste kognitive Verhaltenstherapie in einer randomisiert kontrollierten Studie Rückfälle in manische Phasen verzögern und den Schlaf verbessern.
Hinweise auf akute Wirkung von Licht und Schlafentzug bei Depression sowie Prophylaxe durch Verhaltensansätze
Die Forscher schließen aus der Forschungsübersicht, dass allgemein der Nutzen ergänzender chronotherapeutischer Therapie bei der Bipolaren Störung variabel ist. Dabei ist besonders der große Unterschied in Studienformen, Behandlungsansätzen und Behandlungsprotokollen ausschlaggebend. Allgemein scheint dennoch die Chronotherapie durchaus wertvolle Ergänzungen zur Standardtherapie bieten zu können. In welcher Weise eine Chronotherapie mit Mehrwert aber umgesetzt werden sollte, muss in besser definierten Untersuchungen klarer ermittelt werden. Die Studienzusammenfassung bietet Praxis-Empfehlungen zum wahrscheinlich vielversprechendsten Einsatz von Lichttherapie, Schlafentzug und behaviorale Intervention mit Blick auf soziale Rhythmen zur akuten Behandlung depressiver Phasen. Bei manischen Phasen schienen akut dagegen besonders Dunkeltherapien vielversprechend zu sein. Zur Erhaltungstherapie und Prophylaxe schienen dagegen besonders behaviorale Ansätze von Interesse zu sein.
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