Wie der Wohnort das Kinderkriegen beeinflusst
Wenn es um Familienplanung geht, spielen viele Faktoren eine Rolle. Neben Finanzen, Familienpolitik und Karriere beeinflusst auch der Wohnort die Zahl der Kinder einer Familie. Demograph/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben am Beispiel Wien und Budapest die regionalen Unterschiede zwischen Ost und West sowie Stadt und Land untersucht.
Eins, zwei oder gar keins? Ob und wie viele Kinder eine Frau bekommt, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Berufliche Karriere, familiäre Unterstützung, gesundheitliche Belastbarkeit, finanzielle Situation – all das wirkt sich auf die Zahl des Nachwuchses aus. Aber nicht nur. Ein entscheidender Aspekt ist auch der Wohnort. Denn: Die Geburtenraten sind in Städten geringer als am Land. Aber wollen die Menschen in der Stadt wirklich weniger Kinder – oder können sie ihren Kinderwunsch schlichtweg seltener realisieren?
Dieser Frage sind Wissenschaftler/innen vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nachgegangen. Für ihre im Fachjournal „Regional Studies“ publizierte Studie haben sich Bernhard Riederer und Isabella Buber-Ennser anhand von Daten des internationalen Generations & Gender Survey aus elf Ländern die Unterschiede zwischen Stadt und Land bei der Realisierung bestehender Kinderwünsche angesehen. Zusätzlich gingen sie dieser Frage in einer im Journal „Demografia“ erschienenen Analyse etwas detaillierter für Österreich und Ungarn nach. Hier untersuchten sie den Kinderwunsch von rund 10.270 Frauen und Männern im Alter von 21 bis 45 Jahren und verglichen die tatsächlich stattfindenden Geburten in den beiden Ländern. Mit dem Ergebnis: Frauen in Städten bekommen weniger Nachwuchs, als sie sich eigentlich wünschen.
Was aus dem Kinderwunsch wurde
„Der Kinderwunsch ist trotz des Geburtenrückgangs in den letzten Jahrzehnten erstaunlich stabil geblieben. Darin gibt es kaum Unterschiede zwischen der Stadt- und Landbevölkerung“, sagt Demograph Riederer. Aber: In der Stadt gehen die Pläne öfter nicht auf. Kinderwünsche werden häufiger auf später verschoben. Irgendwann ist es dann womöglich zu spät. Vor allem die Wienerinnen blieben im Befragungszeitraum hinter den Vorstellungen von vor vier Jahren zurück. Hier geben viele Frauen ihren anvisierten Kinderwunsch irgendwann auf – oder revidieren ihn nach unten. „Dass bestehende Kinderwünsche in den Städten seltener realisiert werden, gilt allerdings vor allem für Westeuropa“, sagt der Demograph.
Anders in Osteuropa. So waren etwa in Ungarn die Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung viel geringer. „Während Kinderwünsche in Wien deutlich seltener realisiert werden als in anderen Städten und ländlichen Regionen in Österreich, gibt es nur geringe Unterschiede in der Realisierung von Kinderwünschen zwischen Budapest und dem restlichen Ungarn“, so Riederer. Generell zeigen die Resultate aber auch, dass Frauen in Ungarn ihren angestrebten Kinderwunsch seltener umsetzen als Frauen in Österreich.
Aufgeschoben ist aufgehoben
Der allgemeine Geburtenrückgang hat auch mit einer seit Jahren bekannten Entwicklung zu tun: Frauen bekommen ihre Kinder immer später, wobei gilt: Umso später, desto weniger. Bessere Ausbildungs- und Jobmöglichkeiten würden eher zum Aufschieben des Kinderwunsches führen, heißt es in der europäisch-vergleichenden Studie. Und: Auf Österreich bezogen sind Männer und Frauen mit Kinderwunsch in Wien durchschnittlich älter als im restlichen Land, häufig über 35 Jahre.
PUBLIKATIONEN
Riederer, B. & Buber-Ennser, I. (2020). Regional context and realization of fertility intentions: Are capitals different? The examples of Austria and Hungary. Demografia, 61(5).
DOI: 10.21543/DEE.2018.2