TU Berlin: Coronavirus – Die Proteinstruktur von COVID-19 im Visier
COVID-19-Proteine im Visier
Bioanalytik der TU Berlin will die Proteinstruktur des Virus aufklären
Um einen Krankheitserreger wie einen Virus effektiv zu bekämpfen, braucht die Medizin möglichst viele Struktur-Informationen zu diesem Erreger. SARS-CoV-2 ist ein sogenannter Einzelstrang RNA-Virus und verfügt potentiell über 29 Proteine. Die dreidimensionale Struktur der meisten dieser Proteine ist noch unbekannt. Genauso unbekannt, wie die möglichen Bindungsstellen dieser Proteine an menschliche Proteine. Bislang existieren vor allem Modelle, die auf Vorhersagen ohne experimentelle Daten basieren. Das Fachgebiet Bioanalytik von Prof. Dr. Juri Rappsilber an der TU Berlin verfügt über eine spezifische Expertise in der Technologie des sogenannten Crosslinking zur Bestimmung von räumlichen Strukturen innerhalb von Proteinen und zwischen interagierenden Proteinen.
Diese Expertise erlaubt es, einzigartige Informationen zur Struktur und Interaktion der viralen Proteine in Zellen zu erhalten. Im Rahmen einer Sondergenehmigung forschen Juri Rappsilber und sein Team, gemeinsam mit Kolleg*innen aus der TU Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, derzeit daran, die räumliche Struktur weiterer Virus-Proteine aufzuklären. Das Projekt wird von der internen Forschungsförderung der TU Berlin unterstützt.
„Wir haben uns die sogenannte cDNA – einen bestimmten Teil der Erbinformation der Viren – von vier SARS-CoV-2 Proteinen bestellt“, so Juri Rappsilber. „Diese sogenannte cDNA werden wir mit Hilfe unseres Kollegen Prof. Dr. Peter Neubauer, Leiter des Fachgebiets für Bioverfahrenstechnik, in Bakterien einbauen. Diese Bakterien werden dann mit speziellen Hochdurchsatzverfahren dazu gebracht, die entsprechenden Proteine in großer Menge zu produzieren, sodass wir ausreichend Proteine für weitere Analysen zur Verfügung haben.“
Danach will das Team von Juri Rappsilber die räumliche Struktur dieser Proteine mit Hilfe eines komplexen Flüssigchromatographie-Massenspektrometers und der in seinem Labor entwickelten Crosslinking-Methode aufklären. „Unsere experimentellen Strukturinformationen werden wir unserem Kollegen Prof. Dr. Oliver Brock, Leiter des Robotics and Biology Laboratory, weitergeben, dessen Team mithilfe dieser Informationen die vollständige, dreidimensionale Struktur der Proteine vorherzusagen versucht. Des Weiteren stellen wir die experimentellen Strukturinformationen über den Verteiler der Plattform zur kritischen Überprüfung von Proteinstrukturvorhersagen (CASP) Wissenschaftler*innen weltweit zur Verfügung. Durch unsere Arbeit können somit die rein theoretischen Vorhersagen der Proteinstrukturen anhand gemessener Daten verbessert werden“, so Juri Rappsilber.
„Zusätzlich werden wir einen Teil der so hergestellten Proteine und die Virusproteine, die in einem parallelen Projekt in den Laboren von unserem Kollegen Prof. Dr. Lauster von der medizinischen Biotechnologie hergestellt werden, den Immunologen der Charité für weitere Analysen zur Verfügung stellen. Hier geht es darum, Virus-spezifische Zellen des Immunsystems zu identifizieren und diese dann im Verlauf einer COVID-19 Erkrankung zu messen.“
In einem nächsten Schritt ist es in Zusammenarbeit mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin geplant, einzelne Virus-Proteine mit humanen Zelllinien in Kontakt zu bringen, um festzustellen, wo genau diese Proteine an menschliche Proteine andocken und diese Zellen dann zur Virusproduktion „umprogrammieren“. Ziel ist es, die Wirt-Pathogen Interaktion zu bestimmen und zu verstehen. „Daran anschließen wird sich eine dritte Stufe: Mit Hilfe einer von uns erstellten Bibliothek von charakterisierten, organischen Substanzen können wir gezielt nach Stoffen suchen, die genau an der vorher definierten Wirt-Pathogen-Schnittstelle eingreifen. Wenn es uns gelänge, Substanzen zu finden, die das Kommando der viralen Proteine über die menschliche Zelle stören, könnten sich daraus Ansatzpunkte für neue Medikamente ergeben“, so der Biotechnologe.