Experteneinschätzungen zu Covid-19
Aufrechterhaltung der Abstandsregeln und Verbot von Groß-veranstaltungen – Nutzen von Mund-Nasen-Schutz bisher nicht belegbar
Die befragten Mediziner und Wissenschaftler befürworten die Aufrechterhaltung der Abstandsregeln und das Verbot von Großveranstaltungen – das geht aus den Zwischenergebnissen der Experten-Umfrage hervor. Bei der Befragung wurden die Rückmeldungen von 178 Probandinnen und Probanden ausgewertet und zudem mit den Ergebnissen einer Erstbefragung mit 197 Personen gegenübergestellt. Über eine anonyme online-Befragung haben Experten aus den Fachgebieten der Virologie, Mikrobiologie, Hygiene, Tropenmedizin, Immunologie, Inneren Medizin und Intensivmedizin mit abgeschlossener Berufsausbildung teilgenommen. Die Resultate sind als Meinungsbild zum aktuellen Zeitpunkt in Deutschland zu bewerten.
Die Umfrage des Teams unter Leitung von Professor Michael Schindler (Virologie, Tübingen) und Professor Steffen Moritz (Psychiatrie, Hamburg) erfolgte mit Unterstützung der Gesellschaft für Virologie (GfV), der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Die Ergebnisse der Zwischenauswertung
Die aktuelle Umfrage zeigt, dass mehr als 70 Prozent der Befragten die Abstandsregel von 2 Metern sowie das Verbot von Großveranstaltungen als potentielle Maßnahme zur Kontrolle und Eindämmung von SARS-CoV-2 befürworten und sogar favorisieren. Kitas- und Schulschließungen sieht dagegen nur ein relativ kleiner Teil als wichtige Maßnahme an (weniger als 5 Prozent).
Die Ergebnisse bezüglich der Sinnhaftigkeit von Mund-Nasen-Bedeckung sind sehr ambivalent: Obwohl häufig als Maßnahme genannt, werden sie doch nur selten als wichtig priorisiert. Harte wissenschaftliche Belege für die Schutzwirkung von Masken, ob professioneller Mund-Nasen-Schutz oder selbst hergestellte („Alltags“) Atemmasken, sind den wenigsten Experten bekannt. Über 70 Prozent sehen hingegen Risiken durch falsche Handhabung der Masken. „In diesem Zusammenhang hat uns die diskrepante Haltung gegenüber dem Thema Atemmasken überrascht. Obwohl keine oder widersprüchliche Evidenz zu deren Schutzwirkung bekannt ist, befürworten ein Großteil das Tragen z. B. im ÖPNV“, kommentiert Schindler und ergänzt: „Auch Wissenschaftler sind nur Menschen und scheinen bei einigen Themen eher ihrem Bauchgefühl zu vertrauen.“
Die Zustimmung zu den von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen ist gesunken und wird zum aktuellen Zeitpunkt nur noch zu 50,1 Prozent befürwortet – bei einer Erstbefragung im März waren dies noch 80,7 Prozent. Die Aussage, das öffentliche und wirtschaftliche Leben wiederherzustellen, im Alltag jedoch weitestgehend Atemmasken zu nutzen, befürworten 62,9 Prozent, bei der Erstbefragung lag diese Zahl noch bei 16,8 Prozent.
Die Rolle der Medien wird zunehmend kritisch eingestuft und nur noch von 59 Prozent als sachlich empfunden (Erstbefragung 79,7 Prozent). Die Experten vermissen eine ausgewogene Berichterstattung (82,6 Prozent) – zu oft würden die gleichen befragt. Außerdem, so die Aussage von 62,9 Prozent, fehle eine konstruktive Fachdiskussion mit unterschiedlichen Positionen der Experten. Jeder zehnte Befragte beklagte sich zudem über eine sehr restriktive Informationspolitik einiger Universitäten, sogar ein Drittel aller Expertinnen und Experten sieht die freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft als bedroht. Professor Schindler hierzu: „Ein aus unserer Sicht bedenkliches Ergebnis. Wenn sich ein Drittel der Fachkolleginnen und Kollegen in Ihrer freien Meinungsäußerung bedroht sieht, sollten wir unsere Diskussionskultur grundsätzlich hinterfragen.“
Wenig oder gar nicht verändert hat sich die Einschätzung der Expertinnen und Experten zu Verlauf und Schwere der Erkrankung. Im Durchschnitt gehen sie von einer Ansteckung von bis zu 50 Prozent der Bevölkerung mit dem Coronavirus aus. Die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung wird bei etwa 5 Prozent gesehen mit einer Sterblichkeit von 1 Prozent.