Jüngster Patient weltweit mit neuem Kunstherzantrieb
Der zehn Monate alte Lukas überbrückt mit einem neuen Antrieb die Wartezeit bis zur Herztransplantation
„Lukas kennt die Klinik besser als sein Zuhause“, sagt Konrad H. Sein Sohn wurde im Juli 2019 in Nürnberg geboren und kam dort direkt auf die Intensivstation. „Nach der Ultraschalluntersuchung haben uns die Ärzte gesagt, dass irgendwas mit seinem Herzen nicht stimmt“, berichtet der Vater. In den ersten Lebenswochen mussten die Eltern, die in der Nähe von Neumarkt leben, mit ihrem Kind immer wieder zur Kontrolle – bis zur Hochzeit des Bruders von Konrad H. „Da ist Lukas blau angelaufen. Wir haben ihn dann sofort nach Nürnberg gebracht. Von dort kam er per Kinderintensivtransport ins Uni-Klinikum nach Erlangen. Damals wäre er fast gestorben“, so Konrad H. Seit März 2020 hat Lukas ein Kunstherz. Jetzt bekam der Junge als bislang jüngstes Kind weltweit einen neuen mobilen Antrieb – kompakt und leicht wie ein Handgepäckstück.
Lukas’ Herz ist zu schwach, um ihn aus eigener Kraft am Leben zu halten. Der Junge leidet seit seiner Geburt an einer Kardiomyopathie – sein Herzmuskel ist krank und von Narbengewebe durchzogen, die Herzfunktion ist stark eingeschränkt. „Die Erkrankung ist genetisch bedingt – durch eine Spontanmutation, die bisher weltweit nur bei neun Patienten beschrieben wurde“, erklärt Prof. Dr. Sven Dittrich, Leiter der Kinderkardiologischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen. „Lukas’ Herzfunktion war nach längerer, zum Teil intensivmedizinischer Behandlung irgendwann so stark eingeschränkt, dass er selbst in Ruhe nicht mehr ausreichend Luft bekam“, so Prof. Dittrich weiter. Lukas brauchte ein Kunstherz zur Unterstützung seiner linken Herzkammer. Bei dem parakorporalen System EXCOR® Pediatric liegt die Blutpumpe außerhalb des Körpers. Über Kanülen im Körper sind die Schläuche der Pumpe mit Lukas’ eigenem Herzen und mit den Blutgefäßen verbunden.
Das Kunstherz implantierte Prof. Dr. Robert Cesnjevar, Leiter der Kinderherzchirurgischen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen, unter anderem unterstützt von Kardiotechniker Frank Münch, der Lukas bis heute umfassend betreut. Nach dem Einsetzen des Kunstherzens ist dem Jungen heute von seiner Herzschwäche nicht mehr viel anzumerken – seine Körperfunktionen wirken fast wie die eines gesunden Kindes. Doch der Eindruck täuscht: Die Umgebung erkunden, mit anderen Kindern herumtollen, unbeschwert groß werden: Für Lukas geht all das bis heute nicht oder nur sehr eingeschränkt. Bislang war er über Antriebsschläuche mit einem über 90 Kilogramm schweren stationären Kunstherzantrieb verbunden, der ihm nur einen Bewegungsradius von wenigen Metern erlaubte. „Der bisherige Antrieb ist sehr laut und heizt auch den Raum auf, in dem er steht. Das belastet uns sehr“, sagt Vater Konrad H.
Neuer Antrieb für mehr Bewegungsfreiheit
Dank einer neuen Antriebseinheit für das Kunstherz bekommen der kleine Patient und seine Eltern nun mehr Bewegungsspielraum: Der elektro-pneumatische Antrieb EXCOR®Active der Firma Berlin Heart GmbH ist lediglich so groß wie ein Handgepäckstück, wiegt nur 15 Kilogramm und kann an einen Kinderwagen angekoppelt werden. Das erlaubt Lukas und seinen Eltern auch Spaziergänge an der frischen Luft, denn der Akku hält fünf bis sieben Stunden und nicht wie beim Vorgängersystem nur 30 Minuten.
Den neuen mobilen Antrieb haben bis heute neben Lukas weltweit erst vier weitere pädiatrische Patienten bekommen. Lukas ist mit seinen zehn Monaten das bisher jüngste Kind der Welt mit dem EXCOR®Active und erst das zweite Kind in Bayern. Kinderkardiologe Dr. Martin Schöber und Kardiotechniker Frank Münch überwachten minutiös den Wechsel auf das neue System und stellten sicher, dass Blutfluss, Puls und Blutdruck die ganze Zeit konstant blieben. „Körperlich hat Lukas den Umstieg nicht gespürt und wird es auch in Zukunft nicht“, versichert Prof. Cesnjevar und ergänzt: „Er kann jetzt theoretisch unbegrenzt lange mit dem neuen System leben, aber ein Kunstherz birgt auch Risiken – zum Beispiel für einen Schlaganfall oder Infektionen.“
Lukas’ Eltern sind vorerst dankbar für die Neuerung: „Der kleine Antrieb ist viel leiser, das ist eine große Erleichterung“, sagt Konrad H. Der 34-Jährige freut sich auch über ein kleines Stück gewonnene Freiheit: „Zu dritt als Familie einfach nur draußen spazieren zu gehen, das wäre für uns gerade richtig schön.“ Die vergangenen drei Monate haben die Eltern mit ihrem Sohn mehr oder weniger rund um die Uhr auf der kinderkardiologischen Station des Uni-Klinikums Erlangen verbracht.
Vom Kunstherz zur Transplantation
Und hier muss Lukas vorerst auch bleiben. Ein Kunstherz wie seines kann kurz-, mittel- oder langfristig zum Einsatz kommen, überbrückt aber meist die Zeit bis zu einer lebensrettenden Herztransplantation. Manchmal erholt sich das Herz des Patienten wieder, bei Lukas gibt es diese Hoffnung jedoch nicht. Seit Oktober 2019 steht er auf der Warteliste für ein Spenderherz, Status: höchste Dringlichkeit. „Er braucht auf jeden Fall eine Transplantation“, sagt Prof. Dr. Michael Weyand, Direktor der Herzchirurgischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen und Sprecher des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg am Uni-Klinikum Erlangen. „Es muss ein sehr kleines Herz sein, das zu Lukas’ Anatomie passt. Dazu kommt, dass wir derzeit wegen der Corona-Pandemie große logistische Hürden überwinden müssen, was Spenderherzen aus dem Ausland betrifft. Das Beste wäre es aktuell, einen Spender in Deutschland zu finden“, so Prof. Weyand.