Bindehautinfektion durch SARS-CoV-2 unwahrscheinlich
Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg untersuchen mögliche Augenbeteiligung bei COVID-19 / keine Entwarnung bei medizinischen Schutzvorkehrungen / Studie im Journal of Medical Virology veröffentlicht
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 nutzt bestimmte Proteine auf der Oberfläche menschlicher Zellen als Türöffner, um in die Zellen einzudringen und sich zu vermehren. Vereinzelt wurde auch über Patient*innen mit Entzündungen der Bindehaut des Auges bei COVID-19-Erkrankung berichtet. Bislang war unklar, ob Bindehautzellen für das neue Virus empfänglich sind und damit ein potenzieller Einfallsort für SARS-CoV-2-Viren sein könnten. Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg zeigen nun in einer Studie, dass Infektionen der Bindehaut durch SARS-CoV-2 unwahrscheinlich sind. Die Ergebnisse wurden am 6. Mai 2020 in der Fachzeitschrift Journal of Medical Virology veröffentlicht.
„Nach unserer Forschung ist es unwahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 eine Bindehautinfektion auslösen kann“, sagt Prof. Dr. Günther Schlunck, Forschungsgruppenleiter an der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. Bisherige Studien legen nah, dass SARS-CoV-2 mehrere Organe infizieren kann. Türöffner-Proteine wie der Rezeptor ACE-2 und das Enzym TMPRSS2, über die das Coronavirus in menschliche Zellen eindringen kann, wurden unter anderem bereits in der Leber, im Magen sowie in den Atemwegen infizierter Menschen nachgewiesen. Prof. Schlunck, Prof. Dr. Clemens Lange und weitere Wissenschaftler*innen der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg haben nun untersucht, ob diese Proteine auf Bindehautzellen vorhanden sind. „Momentan herrscht noch viel Unsicherheit, wie das neuartige Coronavirus Menschen infiziert. Hier wollten wir zur Klärung beitragen“, sagt Prof. Lange, Erstautor der Studie.
Hierfür analysierten die Forscher*innen Gewebeproben der Bindehaut von 46 Patient*innen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren. Mit einer RNA-Sequenzierung prüften die Augenärzt*innen, ob Vorläufermoleküle (mRNA), die der Herstellung der Türöffner-Proteine dienen, in den Gewebeproben vorhanden waren. Ergänzend wurden durch immunhistochemische Färbungen in den Proben vorhandene Proteine mithilfe von markierten Antikörpern sichtbar gemacht.
In keiner der Proben wurden relevante Mengen von ACE-2 oder TMPRSS2 festgestellt. Dies macht eine Infektion der Bindehaut durch SARS-CoV-2 über eine Bindung an ACE-2 sehr unwahrscheinlich. „Es ist jedoch möglich, dass Viren in den Tränenfilm geraten und über die ableitenden Tränenwege und die Nasenschleimhaut in die oberen Atemwege gelangen, wo sie eine Infektion auslösen können“, sagt Prof. Schlunck.
Obwohl eine Infektion der Bindehaut mit SARS-CoV-2-Viren unwahrscheinlich ist, sind umfassende Hygiene- und Schutzmaßnahmen weiterhin angebracht. „Ärzt*innen mit engem Kontakt zu COVID-19-Erkrankten sollten trotzdem darauf achten, Mund, Nase und gegebenenfalls auch die Augen wirksam zu schützen“, sagt Prof. Lange.
Bild: Immunhistochemische Aufnahmen zeigen vorhandene Proteine in Gewebeproben mithilfe von Antikörpern. Die Probe der Bindehautzellen (links) zeigt keine relevanten Mengen an ACE-2-Protein, während bei der Probe des Nierengewebes (rechts) Antikörper an das vorhandene ACE-2-Protein binden.
Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg
Original-Titel der Studie: Expression of the COVID‐19 receptor ACE2 in the human conjunctiva
DOI: https://doi.org/10.1002/jmv.25981
Link zur Studie: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/jmv.25981