Smarte Software hilft bei Verfolgung von SARS-CoV-2-Infektionen an der UMG

Ein elektronisches Frühwarnsystem soll helfen Infektionen in Krankenhäusern früh zu erkennen und Übertragungswege von SARS-CoV-2 aufzuspüren. UMG-Forscherteam im HiGHmed-Konsortium beteiligt an der Entwicklung der neuen Software SmICS.

(umg) Im Kampf gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 setzt die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) auf einen elektronischen Helfer: Über das Computer-basierte Frühwarnsystem SmICS lassen sich Infektionen, Verdachtsfälle und mögliche Übertragungswege im Klinikbetrieb aufspüren und so frühzeitig eindämmen. Die von Forscher*innen an der UMG mitentwickelte Software wird seit Mitte Mai 2020 im Rahmen einer ersten Pilotphase eingesetzt. Bundesweit ist das elektronische Frühwarnsystem für die Verfolgung von Infektionen aktuell an drei Standorten – in Göttingen, Hannover und Berlin – im Einsatz. Die Software steht aber auch allen anderen Universitätskliniken zur Verfügung.

Das Kürzel SmICS steht für „Smart Infection Control System“. Die Software wird von dem an der Medizininformatik-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligten Konsortium HiGHmed entwickelt. Hier arbeiten Expert*innen für Infektionsprävention und Infektiologie und für Medizininformatik aus den drei Gründungsstandorten Göttingen, Hannover und Heidelberg zusammen mit dem Robert Koch-Institut, dem Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig sowie den Visualisierungsexpert*innen der TU Darmstadt. Das SmIC-System ist primär auf typische bakterielle Erreger sogenannter Krankenhausinfektionen zugeschnitten, die über direkten Kontakt übertragen werden, und wird für diesen Anwendungszweck auch weiterentwickelt. Aus aktuellem Anlass wurde erfolgreich überprüft, ob sich SmICS auch auf ein pandemisches, sektorenübergreifend auftretendes, über Tröpfchen übertragbares Virus wie SARS-CoV-2 anwenden lässt.

„Mit SmICS vereinen wir Patienten-, Erreger- und Bewegungsdaten miteinander und stellen sie als Prozesse dar. Wir können mit der Software interaktiv Kontaktnetzwerke visualisieren, die Patientenhistorie mit Kreuzungspunkten zurückverfolgen, sprich Kontakte und potentielle Übertragungen evaluieren. Auch epidemiologische Kurven und tagesaktuelle Fallzahlen werden analysiert und visualisiert“, sagt die klinische Leiterin des Projekts, Prof. Dr. Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie an der UMG.

„Die Entwicklung der Datensoftware SmIC belegt beispielhaft, wie sinnvoll die Kooperation verschiedener Forschungseinrichtungen im Verbundprojekt HiGHmed für eine verbesserte Bekämpfung von Krankenhausinfektionen ist. Die UMG ist hier an einer Entwicklung beteiligt, die ganz direkt und praktisch zum Schutz der Mitarbeitenden und des Klinikbetriebes eingesetzt werden kann. Die aktuelle COVID-19-Pandemie zeigt, wie dringlich und notwendig solche Forschungsvorhaben sind und wie erfolgreich deren Entwicklung in der Praxis eingesetzt werden kann“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes der UMG.

Gerade in der aktuellen Corona-Pandemie ist es eine besondere Herausforderung, einzelne Infektionen zurückzuverfolgen und potentielle Übertragungswege frühzeitig zu identifizieren – entweder von Patientinnen und Patienten auf Klinikbeschäftigte oder umgekehrt. „Eine möglichst frühzeitige Verhinderung von Infektionen in Krankenhäusern, anderen Gesundheitseinrichtungen und Seniorenheimen, werden in den nächsten Monaten eine zentrale Rolle dabei spielen, die Pandemie unter Kontrolle zu halten und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten“, so Prof. Scheithauer.

Rückverfolgung in Echtzeit

Die Erkennung von möglichen Infektionsclustern und Ausbrüchen ist bislang unzureichend; die Informationen um die Zusammenhänge sind oft zwar verfügbar, aber in unterschiedlichen IT-Systemen gespeichert und nicht miteinander verknüpft.

Hier setzt SmICS an: Die Software erlaubt eine komplette Rückverfolgung in Echtzeit und damit ein sofortiges Eingreifen. Das System vereint mikrobiologische oder virologische Befunde aus unterschiedlichen Laborinformationssystemen und berücksichtigt die verschiedenen Aufenthaltsorte von Patient*innen im Krankenhaus. Zusammen mit weiteren Datenquellen werden sie im sogenannten medizinischen Datenintegrationszentrum (Medic) der UMG strukturiert abgelegt und als Netzwerk dargestellt. In einem weiteren Schritt wurden auf dieser Basis Algorithmen entwickelt, um statistisch signifikante Häufungen erkennen zu können. Die Analysen erfolgen sowohl mit gängigen statistischen Modellen als auch mit Methoden des maschinellen Lernens durch die Partner am Robert Koch-Institut (RKI), am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der Industrie. Die interaktive Darstellung wird von Forscher*innen der TU Darmstadt entwickelt.

„Dass das existierende System innerhalb von wenigen Wochen an die aktuelle Corona-Pandemie angepasst werden konnte, ist insbesondere den interoperablen Datenmodellen und Schnittstellen zu verdanken, wie sie in der Medizininformatikinitiative konzipiert und in HiGHmed konsequent in allen Projekten umgesetzt werden“, sagt Prof. Dr. Dagmar Krefting, Leiterin des Instituts für Medizinische Informatik der UMG und UMG-Standortsprecherin des HiGHmed-Konsortiums: „Und natürlich dem unermüdlichen Einsatz aller Beteiligter.“

Das HiGHmed-Team der UMG ist aktiv an der Entwicklung des SmICS beteiligt und hat es in wenigen Tagen hier zur Verfügung stellen können. SmICS wird derzeit um zusätzliche Funktionen erweitert und in Kürze an weitere HiGHmed-Standorte ausgeliefert.

Das HiGHmed-Konsortium

Das HiGHmed-Konsortium zielt darauf ab, die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu verbessern sowie die klinische Forschung durch neue medizininformatische Lösungen effizienter zu machen. Ihm gehören acht Universitätskliniken, neun akademische Partner, fünf Industriepartner sowie weitere Einrichtungen an. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das HiGHmed-Konsortium im Rahmen der Medizininformatik-Initiative und stellt dafür von 2018 bis 2021 rund 41 Millionen Euro bereit.

Weitere Informationen zum HiGHmed-Konsortium: https://www.medizininformatik-initiative.de/de/konsortien/highmed