COVID-19: Studie zu Folgeschäden in der Lunge
SARS-CoV-2 befällt im Rahmen der COVID-19-Erkrankung primär die Lunge. Sekundär können Schädigungen des Gefässsystems stattfinden. Noch völlig unbekannt sind die Folgeschäden von COVID-19, und es ist unklar, welche Therapien dafür geeignet sind. Die erste Studie in den wichtigsten, nationalen Zentren der Schweiz untersucht mögliche Schädigungen der Lunge und weitere, mittel- und langfristige Folgeschäden. Unter der Leitung der Universitätsklinik für Pneumologie am Inselspital Bern (Direktor Prof. Thomas Geiser) werden ab Anfang Juni möglichst viele Patientinnen und Patienten, die eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht haben und aktuell unter Beschwerden leiden, untersucht und längerfristig dokumentiert.
SARS-CoV-2 hat im März sehr viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da COVID-19 in gewissen Fällen schwere, mitunter letale Verläufe zur Folge hatte. In der Schweiz sind bisher gut 30 000 Personen positiv getestet worden, knapp 2000 Personen starben. Die hier vorgestellte Studie untersucht COVID-19-Überlebende, die über anhaltende Beschwerden klagen.
Folgeschäden
COVID-19 geht bei schweren Verläufen häufig mit einer Lungenentzündung einher. Eine solche kann das Gewebe der Lunge nachhaltig schädigen. Falls die Lunge vernarbt, spricht man von einer Lungenfibrose. Das Problem dabei: Lungenfibrosen lassen sich in der Regel nicht regenerieren, vernarbtes Lungengewebe bleibt bestehen, die Lungenfunktion ist langfristig beeinträchtigt.
In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass genesene COVID-19-Patientinnen und -Patienten häufig über persistierende Atembeschwerden klagen. Die Vermutung liegt in diesen Fällen nahe, dass sich aufgrund von COVID-19 eine Lungenfibrose entwickelt. «Wir beobachteten bei einer bedeutenden Anzahl von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 schwere Lungenentzündungen. Zudem wurde über Lungenembolien bei COVID-19 berichtet. Nun müssen wir uns klar darüber werden, welche Folgeschäden diese Erkrankungen nach sich ziehen werden und wie wir diese therapieren können», sagt die Studienleiterin PD Dr. med. Manuela Funke-Chambour von der Universitätsklinik für Pneumologie am Inselspital Bern.
Studienansatz
Dazu dient die Studie «Prospective Observational Cohort Study to Investigate Long-term Pulmonary and Extrapulmonary Effects of COVID-19», die PD Dr. Funke-Chambour initiiert hat und zu der das Universitätsspital Zürich (USZ) unter der Leitung von PD Dr. med. Christian Clarenbach und das Kantonsspital St. Gallen unter der Leitung von Prof. Martin Brutsche beitragen. Weitere Zentren sind in Evaluation.
Die Studie schliesst Patientinnen und Patienten ein, die zwölf Wochen nach dem Auftreten von COVID-19 über Atembeschwerden oder andere Beeinträchtigungen klagen. Die Untersuchung wird nach einem koordinierten Protokoll vorgenommen, sodass die gewonnenen Daten national ausgewertet werden können.
Die Studie beginnt mit dem Einschluss von Patienten Anfang Juni. Sie schliesst Personen innert drei Monaten nach einer COVID-19-Erkrankung ein und beabsichtigt Ende Jahr eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.
Langzeitfolgen richtig behandeln
«Mit einer angepassten Behandlung von ehemaligen COVID-19-Patientinnen und -Patienten können wir hoffentlich Folgeschäden vermindern und so die Kosten ungeeigneter Therapien und unnötiger Medikamente vermeiden», betont Manuela Funke-Chambour. Wenn es gelingt, möglichst rasch einen anerkannten Standard für die Nachbehandlung von COVID-19-Patienten zu etablieren, können mögliche bleibende Beeinträchtigungen der Lunge minimiert werden, so ihre Hoffnung. Ein solcher Standard wäre derzeit in der medizinischen Grundversorgung gefragt. «Wir hören von Hausärztinnen und Hausärzten ebenso wie von niedergelassenen Pneumologen, dass zu COVID-19 und erst recht zu deren Folgewirkungen kaum Informationen vorliegen. Die Resultate dieser Studie werden diese wichtige Lücke schliessen», ist Christian Clarenbach vom USZ überzeugt. «Ab Dezember 2020 dürfen erste Resultate dieser Schweizer Studie erwartet werden», gibt sich PD Manuela Funke-Chambour zuversichtlich.
Expertin:
- PD Dr. Funke-Chambour, Stv. Chefärztin und hauptverantwortliche Studienleiterin, Universitätsklinik für Pneumologie, Inselspital