Große All-Corona-Care-Studie am LMU Klinikum
Die All-Corona-Care-Studie (ACC-Studie) mit 10.000 Mitarbeiter*innen des LMU Klinikums ist nicht nur eine der deutschlandweit größten Antikörper-Untersuchungen zu SARS-CoV-2, sondern sie zielt auch darauf ab, zu erfassen, wie groß die Stressbelastung der Mitarbeiter*innen während der Hochphase der Coronavirus-Pandemie war. Aus dieser Studie sollen unter anderem auch Maßnahmen abgeleitet werden, die Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen bei zukünftigen pandemischen Wellen noch besser zu schulen und zu schützen.
LMU Klinikum
Die freiwillige, pseudonymisierte Studie geht mehreren Fragestellungen nach. Zum einen werden die Blutproben der Mitarbeiter*innen untersucht, um den individuellen Antikörperstatus gegen SARS-CoV-2 zu bestimmen. Auf diese Weise soll ermittelt werden, wie viele Mitarbeiter*innen des LMU Klinikums bereits mit SARS-CoV-2 infiziert waren. „Wir können im Moment noch nicht sagen, ob der Nachweis spezifischer Antikörper gegen SARS-CoV-2 wirklich vor einer erneuten Infektion schützt“, erläutert Prof. Oliver T. Keppler, der Inhaber des Lehrstuhls für Virologie sowie Vorstand des Max von Pettenkofer-Instituts ist. Gemeinsam mit Prof. Matthias Klein koordiniert er die ACC-Studie.
Die erhobenen Daten werden einen Seroprävalenz-Querschnitt durch die verschiedensten Bereiche des Gesundheitssystems geben, da Mitarbeiter*innen aus allen Bereichen des Klinikums teilnehmen: aus den medizinischen Einrichtungen wie Kliniken, Abteilungen, Instituten und Pflegebereichen, aber auch aus der Logistik, der Technik und der Verwaltung. Mit Stand Montag, 22. Juni 2020, haben bereits knapp 6.000 Mitarbeiter*innen teilgenommen“, sagt Prof. Keppler. „Schon jetzt können wir abschätzen, dass der Anteil der Personen mit Antikörper gegen SARS-CoV-2 im niedrigen einstelligen Prozent-Bereich liegen dürfte. Dies erlaubt erst einmal keinen Rückschluss darüber, ob die Ansteckung im beruflichen oder privaten Umfeld stattgefunden hat. Die abschließenden Testergebnisse erwarten wir dann bis Mitte Juli.“
Auch die Testverfahren selbst werden getestet
Neben dieser sero-epidemiologischen Fragestellung sollen im virologisch-methodischen Teil der Untersuchung zum anderen auch wichtige Erkenntnisse zur Qualität verschiedener Antikörpertests gesammelt werden. Zum Einsatz kommen drei unterschiedliche Verfahren – ein kommerziell erhältlicher sowie zwei, die vom Max von Pettenkofer-Institut gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Biochemie und dem Genzentrum der LMU München entwickelt und validiert worden sind.
„Um sicher beurteilen zu können, ob es zu einer spezifischen Immunantwort gekommen ist, müssen Antikörpertests in der Lage sein, Antikörper gegen SARS-CoV-2 ohne Kreuzreaktivität mit den verwandten, banalen Coronaviren nachzuweisen. Wir wollen wissen, ob alle drei Tests diese Voraussetzungen einer hohen Spezifität erfüllen“, so Prof. Keppler. „Auch muss die Sensitivität der Testsysteme geklärt werden, also welcher Prozentsatz der Infizierten nach einer gewissen Zeit dann wirklich durch den Antikörpernachweis erkannt werden kann – nahe an 100 Prozent muss das Ziel sein“, ergänzt der Virologe.
Fragebogen zur Belastungserhebung während der Pandemie
Ein weiteres wichtiges Anliegen der ACC-Studie ist es, mithilfe eines psychologischen Fragebogens die Intensität der körperlichen und psychischen Belastung zu erfassen, der die Mitarbeiter*innen während der Hochphase der Coronavirus-Pandemie ausgesetzt waren. Zwar liegt es auf der Hand, dass gerade Beschäftigte im Gesundheitswesen als die zentrale Stütze in der Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie einer besonderen Belastungssituation ausgesetzt waren. „Eine validierte Erhebung dazu gibt es jedoch bislang nicht, daher sind wir sehr an den Ergebnissen der Befragung interessiert“, sagt Dr. Kristina Adorjan, stellvertretende Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Erste Zwischenergebnisse aus der longitudinalen Pilotstudie Care-Corona-Immune (CCI), an der von März bis Mai 2020 ca. 340 Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Bereichen des LMU Klinikums teilgenommen haben, deuten an, dass aufgrund pandemiebedingter Angst- und Panikzustände rund ein Viertel der Befragten unter körperlichen Symptomen gelitten haben. Zudem berichtete beinahe jeder zweite Studienteilnehmer über Ein- und Durchschlafstörungen. „Diese Studien ermöglichen uns also, die Stressbelastung von Mitarbeiter*innen adäquat zu erfassen und den Personenkreis mit negativen Gesundheitsauswirkungen auf die COVID-19-Pandemie rechtzeitig zu identifizieren, um so möglichst frühzeitig therapeutische Interventionen anbieten zu können“, so die Psychiaterin.
Besser geschützt bei künftigen Pandemien
Die Erkenntnisse helfen unter anderem bei der Planung und Optimierung von Abläufen im Uniklinikum. „Mit den Ergebnissen möchten wir die Grundlage für Handlungsempfehlungen und Schulungsprogramme schaffen, mit denen nicht nur die gegenwärtige Pandemie, sondern auch ähnliche Herausforderungen der Zukunft gut bewältigt werden können“, sagt der Neurologe und Geschäftsführende Oberarzt der Zentralen Notaufnahme am Campus Großhadern, Prof. Matthias Klein. „So gesehen, geht es uns bei der Studie auch darum, einen wichtigen Beitrag zur Infektions- und Belastungs-Prävention und damit zur Optimierung des Schutzes unserer Mitarbeiter*innen zu leisten.“
Das ACC-Studienteam
Koordiniert wird die ACC-Studie von Prof. Oliver T. Keppler und Prof. Matthias Klein. Studienleiter sind Dr. Andreas Osterman und Dr. Paul R. Song Wratil (beide Max von Pettenkofer-Institut) sowie Dr. Tobias Weinberger (Medizinische Klinik und Poliklinik I). Des Weiteren sind Kompetenzteams für Psychiatrie, Diagnostik und Kommunikation mit Expert*innen der LMU München (Genzentrum) und des LMU Klinikums an dieser großen Studie beteiligt. Hinzu kommen Spezialist*innen aus verschiedenen Fachbereichen. Das Studienteam umfasst insgesamt 26 Personen.