Hormon-Inhalation stoppt schwere Nebenwirkung von Immun-Krebstherapie
Mit einem neuartigen Therapieansatz gelang es Ärzt*innen des Universitätsklinikums Freiburg bei einem Patienten eine Lungenentzündung zu heilen, die als Folge einer Immun-Krebstherapie aufgetreten war / Publikation im New England Journal of Medicine
Neuartige Immuntherapien sind aus der Behandlung von Krebspatient*innen nicht mehr wegzudenken. Allerdings führen sie auch immer wieder zu lebensbedrohlichen Entzündungen der Lunge. Nun haben Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen des Universitätsklinikums Freiburg erfolgreich bei einem Patienten einen neuartigen Therapieansatz genutzt. Der Patient hatte aufgrund eines Melanoms, auch Schwarzer Hautkrebs genannt, eine Immuntherapie erhalten. Diese löste aber eine schwere Lungenentzündung aus. Die Ärzt*innen entschieden sich, ihm das Darm-Hormon „Vasoaktives intestinales Peptid“ (VIP) zur Inhalation zu geben, dessen Einsatz am Universitätsklinikum Freiburg bei ähnlichen Krankheitsbildern erforscht wird. Innerhalb von wenigen Wochen verschwand die Lungenentzündung vollständig, was zuvor mit Kortison nicht gelungen war. Der Fallbericht wurde am 25. Juni 2020 im renommierten Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht.
„Nachdem der Patient anfangs Kortison bekommen hatte, kam es rasch zu einem Wiederkehren von Luftnot und Husten“, berichtet Dr. Frank Meiß, Leitender Oberarzt in der Klinik für Dermatologie und Venerologie des Universitätsklinikums Freiburg. Deswegen wurde gemeinsam mit dem Patienten entschieden, einen neuen Weg zu gehen und ihm VIP zur Inhalation zu geben.
Auf die Idee der VIP-Gabe waren die Freiburger Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen gekommen, da sie in mehreren Forschungsprojekten neue Therapieansätze bei der Lungenkrankheit Sarkoidose erforschen und dabei bereits erste Erfolge durch VIP erzielt hatten. „Wir haben uns für diese experimentelle Therapie entschieden, weil es Ähnlichkeiten zwischen der Sarkoidose und dieser Art der nicht-bakteriellen Lungenentzündung gibt“, sagt Dr. Björn Christian Frye, Oberarzt an der Klinik für Pneumologie des Universitätsklinikums Freiburg.
„Wir hatten mit einer Besserung der Lungenentzündung gerechnet, waren aber vom Erfolg der Therapie sehr positiv überrascht. Die Entzündung ging zurück und die Atemnot des Patienten verschwand“, sagt Prof. Dr. Joachim Müller-Quernheim, Ärztlicher Direktor der Klinik für Pneumologie am Universitätsklinikum Freiburg. Eine solche nicht-bakterielle Lungenentzündung, Pneumonitis genannt, tritt bei 10 bis 20 Prozent aller Patient*innen mit Immun-Krebstherapie auf und wird bislang in der Regel mit Steroiden wie Kortison behandelt. Diese haben aber zum Teil starke Nebenwirkungen und erfordern einen Abbruch der Immuntherapie. Statt Kortisontabletten, die nur kurzfristig zu einer Besserung, aber auch Nebenwirkungen geführt hatten, musste der Patient lediglich dreimal täglich inhalieren. Nebenwirkungen waren unter der VIP-Therapie nicht aufgetreten.
Im nächsten Schritt plant das Freiburger Team eine größere klinische Studie, um zu klären, ob und für welche Krebspatient*innen mit Pneumonitis der Therapieansatz in Frage kommen könnte.
Originalpublikation:
Titel der Publikation: Vasoactive Intestinal Peptide in Checkpoint Inhibitor–Induced Pneumonitis
DOI: 10.1056/NEJMc2000343
https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMc2000343