Positive Ergebnisse der Gentherapie CRISPR/Cas9 auch bei Patienten mit Sichelzellerkrankung
Bereits Ende 2019 konnten erste Erfolge bei der Behandlung von Beta-Thalassämie-Patienten mit dem CRISPR/Cas9-Verfahren am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) erzielt werden. In einer weiteren Studie wurde die Gentherapie im Bereich der Sichelzellerkrankungen untersucht, und auch hier können die Mediziner erste Erfolge vermelden.
Für Patienten, die an Beta-Thalassämie oder der Sichelzellerkrankung leiden, war die Hoffnung auf Heilung bislang stets mit einer Blutstammzelltransplantation verbunden. Findet sich jedoch kein Spender oder ist eine solche Transplantation aufgrund diverser Risikofaktoren nicht durchführbar, sind betroffene Thalassämie-Patienten auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen, und Sichelzellpatienten leiden weiter an den schweren Schmerzkrisen und anderen Komplikationen dieser Erkrankung – mit all ihren potentiell lebensverkürzenden Nebenwirkungen. „Genau das wollen wir mittels dieser Gentherapie vermeiden. Wir möchten den Patienten die Chance auf Heilung geben und sehen in der Gentherapie einen erfolgversprechenden Ansatz“, erklärt Professor Dr. Selim Corbacioglu, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation des UKR.
Gesunde Blutzellen sollen kranke ersetzen
Dass dies gelingen kann, bewiesen die Ergebnisse, welche vor kurzem auf dem 25. Kongress des Europäischen Hämatologenverbandes (EHA) virtuell präsentiert wurden. „Diese Resultate bestätigen unsere Zwischenergebnisse aus dem vergangenen Jahr und zeigen, dass der Weg der Richtige ist“, freut sich Professor Corbacioglu. 2019 wurde am UKR weltweit erstmals eine Patientin mit eigenen Blutstammzellen behandelt, die mit dem CRISPR/Cas9-Verfahren genetisch verändert wurden.
Studienteilnehmer sind nahezu beschwerde- und transfusionsfrei
Ähnlich wie bei der Beta-Thalassämie ist auch bei der Sichelzellerkrankung genetisch bedingt die Hämoglobinbildung gestört. Hämoglobin besteht aus zwei verschiedenen Eiweißketten, der alpha- und der beta-Kette. Bei der Beta-Thalassämie wird die beta-Kette entweder nur sehr reduziert gebildet oder sie fehlt ganz. In der Folge kann nicht ausreichend Sauerstoff über die Blutkörperchen in den Körper transportiert werden, wodurch Patienten an Sauerstoffmangel leiden.
Bei der Sichelzellerkrankung, einer der häufigsten genetischen Erkrankungen weltweit, wird die beta-Eiweißkette zwar produziert. Eine einfache Punktmutation verändert die roten Blutkörper aber derartig, dass sie in sauerstoffarmem Milieu eine sichelartige Form annehmen. Die Zellen verursachen durch diese bizarre Formveränderung eine Verstopfung der Blutgefäße, die dadurch entzündet und chronisch krank werden. Die Folgen sind unter anderem Schmerzkrisen, Hirninfarkte, Lungeninfarkte, hohe Infektneigung und unbehandelt eine Kindersterblichkeit von mehr als 85 Prozent in den ersten fünf Lebensjahren.
Bei beiden Krankheitsbildern soll und kann, soweit der bisherige Stand der Wissenschaftler, nun die CRISPR/Cas9-Therapie helfen, die erkrankten Blutzellen durch genetisch veränderte Blutzellen zu ersetzen. Funktioniert das, wie in den veröffentlichten Studienergebnissen, hat das zur Folge, dass sich die Patienten keiner Bluttransfusion und dementsprechend auch keiner Blutstammzelltransplantation mehr unterziehen müssen. „In beiden Fällen sind wir mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Die Blutwerte der bisher drei behandelten Patienten haben sich normalisiert, so dass sowohl die beiden Beta-Thalassämie-Patienten als auch die von einer Sichelzellerkrankung betroffene Patientin aktuell transfusions- und nahezu beschwerdefrei sind. Nach 15 Monaten benötigt unsere Patientin weiterhin keine Transfusion und weist normale Blutwerte auf. Das sind beeindruckende Ergebnisse“, so Professor Corbacioglu.
So funktioniert das CRISPR/Cas9-Verfahren
Das CRISPR/Cas9-Verfahren ist in vier Phasen unterteilt. Dabei spielt es keine Rolle, ob Betroffene an der Beta-Thalassämie oder der Sichelzellerkrankung leiden. Zunächst durchläuft der Patient ein Screening, das prüft, ob er für das Verfahren grundsätzlich geeignet ist. Danach werden Blutstammzellen entnommen und in einem externen Labor mit Hilfe des CRISPR/Cas9-Verfahrens behandelt, eingefroren und auf ihre Sicherheit überprüft, ehe die Zellen gebrauchsfertig zurück ans UKR kommen. Bevor in Phase 3 die veränderten Zellen via Infusion zugeführt werden, wird der Patient durch eine Chemotherapie darauf vorbereitet. Danach beginnt Phase 4: Nach der Therapie werden die Patienten engmaschig betreut. „Im Rahmen der Nachsorgetermine kontrollieren wir unter anderem die Blutwerte und beobachten die Patienten 15 Jahre lang, um etwaige Spätfolgen frühzeitig zu erkennen“, sagt Professor Corbacioglu.