Wenn der Duft verflogen ist
Unser Geruchssinn ist vor allem ein Genusssinn – ist er eingeschränkt, kann das aber auch auf Erkrankungen wie COVID-19 oder Alzheimer hinweisen
Der Duft einer blühenden Rose, der Geruch von frisch gebackenem Brot oder das angenehme Aroma des morgendlichen Kaffees – sie alle bereiten uns ein wohliges Gefühl. Am 27. Juni, dem Weltdufttag, besinnen sich Menschen weltweit auf die Wohlgerüche, um diese bewusster wahrzunehmen. Können wir nicht mehr riechen, bedeutet das oft einen großen Verlust an Lebensqualität, da wir die Natur sowie unsere Nahrung nicht mehr so intensiv erleben können: Der Genuss fehlt. Wer nicht mehr riecht, nimmt auch den Geschmack seines Essens nur noch eingeschränkt wahr. Doch auf welche Krankheiten kann ein schlechtes Riechvermögen hindeuten? Dr. Frank Waldfahrer, Oberarzt an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro) des Universitätsklinikums Erlangen, erklärt: „Eine Einschränkung des Riechsinns kann beispielsweise viral bedingt sein. Das Influenzavirus kann nämlich die Nasenschleimhaut schädigen – vorübergehend oder in seltenen Fällen sogar dauerhaft.“
Andere Gründe für ein eingeschränktes oder gar vollständig verschwundenes Riechvermögen, also eine Hyposmie bzw. eine Anosmie, sind Polypen, eine schiefe Nasenscheidewand oder vergrößerte Nasenmuscheln. Auch ein heftiger Aufprall des Schädels, etwa bei einem Unfall, kann eine Anosmie auslösen: In dem Fall reißen häufig die sogenannten Riechfäden ab, die den zuständigen Nerv mit der Nasenschleimhaut verknüpfen. Nur wenn die Verbindung intakt ist, kann der Mensch Gerüche wahrnehmen. „Beim Riechen erkennen die Rezeptoren in der Schleimhaut der Nase die Geruchsmoleküle. Der Nerv des sogenannten Riechkolbens transportiert die Informationen dann an das Areal im Gehirn, das die Gerüche erkennt“, erläutert Dr. Waldfahrer.
Riechstörung als Frühwarnsystem
Je älter der Mensch wird, desto mehr baut sich auch sein Riechsinn ab – ähnlich wie die anderen Sinne Hören und Sehen. „Das liegt an der geringeren Hirnleistung im Alter und dem Rezeptorsystem“, sagt der HNO-Spezialist. Zudem können manche Menschen bestimmte Gerüche von Geburt an nicht wahrnehmen, etwa den von Urin. „Das liegt an einer Genmutation. Wir nennen dieses Phänomen selektive Anosmie.“ Eine Riechstörung deutet jedoch möglicherweise auch auf neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder eine Alzheimer-Demenz hin. Dabei ist die Signalübertragung zwischen dem Riechkolben und dem Hirnareal gestört, das Gerüche verarbeitet. Warum das Symptom einer Hyposmie früher auftritt als die eigentlich für die Krankheiten typischen Einschränkungen im Bereich der Motorik bzw. des Gedächtnisses, ist bislang unklar.
Training als Therapie
Wer merkt, dass sein Riechsinn nachlässt, sollte grundsätzlich zuerst seinen Hausarzt konsultieren. In den meisten Fällen führt jedoch kein Weg am Hals-Nasen-Ohren-Spezialist vorbei. Dieser stellt dann anhand sogenannter Riechstifte fest, ob tatsächlich eine Anosmie vorliegt. Außerdem kann der Facharzt eine Endoskopie der Nase durchführen, um damit eventuelle Polypen zu erkennen; im Anschluss kann er die Wucherungen entfernen. Ist eine geschädigte Nasenschleimhaut Ursache der Riechstörung, so ist Training die einzige Therapie. Denn: Die Schleimhaut kann sich manchmal wieder regenerieren. Um wieder riechen zu können, müssen die Betroffenen täglich etwa 30 Minuten an drei bis vier verschiedenen Riechstoffen gezielt riechen.