Krebsimmuntherapie bei Leukämie – Wie das körpereigene Abwehrsystem gestärkt werden kann
Wichtiger Baustein in der Behandlung von Leukämien ist zunächst die unspezifische Abtötung von Krebszellen durch Chemotherapie. In manchen Fällen wird sie ergänzt durch eine Stammzelltransplantation, bei der das Abwehrsystem des Spenders zur Krebsbekämpfung beiträgt. Dennoch erleiden ca. 30 bis 40 Prozent der Betroffenen einen Rückfall. Einen vielversprechenden Weg bietet seit einiger Zeit die Krebsimmuntherapie. In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt haben Forscher um Simone Thomas vom Universitätsklinikum Regensburg nun einen neuen Therapieansatz entwickelt, der das Immunsystem stärken und Leukämiepatienten zukünftig eine Chance auf Heilung eröffnen kann.
Die Leukämie ist eine bösartige Neubildung (Krebs) von blutbildenden Zellen des Knochenmarks, welche ungehindert wachsen und die gesunde Blutbildung verdrängen. Ein wesentlicher Baustein der Therapie von Leukämien ist die Chemotherapie, die eine unspezifische Abtötung von Krebszellen bewirkt. Um die Chancen auf Heilung zu verbessern, ist bei manchen Patienten zusätzlich zur Chemotherapie eine sogenannte hämatopoetische Stammzelltransplantation notwendig. Hierbei wird neben der gesamten Blutbildung (Hämatopoese) auch das Abwehrsystem eines gesunden Spenders auf den Patienten übertragen, sodass dieses zur Bekämpfung der Leukämie beitragen kann. Das Abwehrsystem – auch Immunsystem genannt – schützt den Körper natürlicherweise vor Infektionen. Es ist prinzipiell aber auch in der Lage, bösartige Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Da eine solche Immunantwort gegen Leukämiezellen jedoch nicht bei allen Patienten ausreichend gut funktioniert, erleiden ca. 30 bis 40 Prozent der Betroffenen nach einer Stammzelltransplantation einen Rückfall ihrer Erkrankung.
Daher suchen Forscher weltweit nach Strategien, die das Immunsystem nach einer Stammzelltransplantation gegen die Leukämie stärken. Einen vielversprechenden Weg bietet die sogenannte Krebsimmuntherapie. Hierbei stehen bestimmte weiße Blutkörperchen – die T-Zellen – im Zentrum des Interesses, welche als Hauptvermittler der anti-Tumor-Antwort gelten. Bei dieser neuartigen Therapie werden die T-Zellen des Patienten mit speziellen Sensoren ausgestattet, mit deren Hilfe sie bestimmte Eiweißbausteine (Antigene) auf den Krebszellen erkennen und diese schließlich zerstören können (vgl. Abbildung „Schema Krebsimmuntherapie“). Für bestimmte Formen von Blutkrebs wie diffus großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL) und akute lymphatische Leukämien (ALL) sind solche Krebsimmuntherapien bereits als Medikamente zugelassen und eröffnen Patienten eine Chance auf Heilung, wo andere Krebstherapien versagen. Für Patienten mit akuten myeloischen Leukämien (AML) befinden sich Krebsimmuntherapien noch in der Entwicklung.
PD Dr. Simone Thomas und ihr Team von Wissenschaftlern von der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Regensburg beschäftigen sich intensiv mit der Entwicklung von Krebsimmuntherapien zur Behandlung von Leukämierückfällen nach einer Stammzelltransplantation. Im Rahmen eines von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojektes statteten die Forscher T-Zellen gesunder Spender im Labor mit speziellen Leukämie-erkennenden Rezeptoren aus. Diese T-Zell-Rezeptoren identifizieren auf der Leukämiezelle sogenannte HLA-DP-Antigene. HLA-DP-Antigene sind bestimmte Eiweiße, die dem Immunsystem helfen, Krebszellen als fremd oder körpereigen zu unterscheiden und dementsprechend gezielt abzutöten (vgl. Abbildung „Erkennung von Leukämiezellen durch T-Zellen“). Ihre jüngst in der renommierten Fachzeitschrift Cells (Klobuch S et al. Cells 9(5):1264, 2020) publizierten Forschungsergebnisse zeigen, dass die Ausstattung von T-Zellen mit HLA-DP-erkennenden T-Zell-Rezeptoren, diese dauerhaft in ihrer Erkennung von Leukämiezellen stärkt.
Die Wissenschaftler um Simone Thomas konnten zudem zeigen, dass T-Zellen in der Lage sind, Leukämiezellen sowohl in der Laborschale als auch im Mausmodell zu eliminieren. Da HLA-DP-Gewebemerkmale nicht nur auf Leukämiezellen, sondern unter bestimmten Umständen auch auf gesunden Gewebezellen vorkommen können, untersuchte das Team weiterhin, ob mit den spezifischen T-Zell-Rezeptoren ausgestattete T-Zellen auch gesunde Zellen angreifen, da dies im Patienten möglicherweise zu erheblichen Nebenwirkungen führen könnte. Die Ergebnisse zeigten, dass einige HLA-DP-erkennende T-Zell-Rezeptoren neben Leukämiezellen auch gesundes Gewebe angreifen, während andere nur Leukämiezellen erkennen. Um eine HLA-DP-gerichtete Immuntherapie dennoch sicher für den Patienten zu machen, sollen in nachfolgenden Studien entsprechende „Sicherheitsschalter“ entwickelt werden. Damit hoffen die Forscher, die Anwendung von HLA-DP-erkennenden T-Zellen hin zu einer klinischen Erprobung weiterentwickeln zu können.