Ab 1. Juli 2020 haben Eltern an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern Zugang zu einem neuartigen Pilotprogramm. Blutstammzellen aus der Nabelschnur können in einer speziellen Nabelschnurblutbank eingelagert werden. Neu daran ist, dass die eingelagerten Blutstammzellen sowohl im öffentlichen wie auch in einem privaten Register aufgenommen werden. Diese Entnahme und Lagerung erfüllt höchste Anforderungen bezüglich Sicherheit und Qualität und wurde vom Bundesamt für Gesundheit jüngst bewilligt.
Nach der Geburt können dem Nabelschnurblut Stammzellen entnommen werden. Diese Stammzellen sind für die Behandlung von schweren Blutkrankheiten und weiteren Erkrankungen des Immunsystems wertvoll. Sie können sowohl beim Kind und Familienangehörigen wie auch bei unverwandten Personen mit entsprechend übereinstimmender Gewebetypisierung eingesetzt werden. Bisher konnten Eltern vor der Geburt nur entscheiden, ob das Nabelschnurblut ihres Neugeborenen in einer privaten Bank für den Eigengebrauch in der Familie oder in einer öffentlichen Bank für die weltweite Verwendung eingelagert werden soll.
Hybrideinlagerung als weltweite Neuheit
Die im Pilotprojekt entwickelte Hybrideinlagerung bietet nun eine Kombination der Vorteile der beiden bisherigen Lösungen. Eltern können neu die Nabelschnurblut-Stammzellen für die eigene Familie einlagern und gleichzeitig im öffentlichen Blutstammzellregister eintragen lassen. Besteht eine Übereinstimmung der Gewebemerkmale für einen anonymen Patienten, können die Eltern dann definitiv entscheiden, ob die Stammzellen für den Patienten eingesetzt werden. Wenn die Eltern diese Zustimmung nicht geben möchten, werden die Zellen für die eigene Familie aufbewahrt und die Angaben aus dem öffentlichen Register entfernt.
Eltern entscheiden vor der Geburt, das Nabelschnurblut in der neuen Hybridbank einzulagern. Sie profitieren von den identisch hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen einer öffentlichen Einlagerung und gleichzeitig einem vergünstigten Preis für eine private Lagerung. Die Nabelschnur-Blutstammzellen werden in das schweizerische Blutstammzellspenderregister aufgenommen und können weltweit angefordert werden. Zugleich erfolgt die Einlagerung so, dass die betreffenden Blutstammzellen bei Bedarf für das Kind selbst oder ein Familienmitglied verwendet werden können. Der Entscheid, ob die Verwendung definitiv öffentlich oder privat eingesetzt werden soll, passiert in zwei Fällen: Entweder erfolgt eine Anfrage durch das schweizerische Register für Blutstammzellspender der Blutspende SRK Schweiz aufgrund eines erkrankten Patienten mit denselben Gewebemerkmalen oder, was seltener vorkommt, die Probe wird in einer Therapie in der Familie gebraucht. Geben die Eltern die eingelagerten Blutstammzellen für den (anonymen) Patienten frei, erhalten sie die Kosten zurückerstattet und verlieren gleichzeitig jeden weiteren Anspruch für eine private Nutzung. Geben sie die eingelagerten Blutstammzellen nicht frei, wird der Eintrag im öffentlichen Register gelöscht und die Stammzellen stehen nur für das Kind und die Familie zur Verfügung. Die Kosten der Einlagerung werden in diesem Fall nicht zurückerstattet.
PPP-Pilotprojekt
Das Angebot wurde in einer Public-Private-Partnership (PPP) des Universitätsspitals Bern, der Blutspende SRK Schweiz, und der Firma Swiss Stem Cell Biotech (SSCB) entwickelt. Die Information und Beratung der Eltern sowie die Entnahme der Zellen aus der Nabelschnur bei der Geburt erfolgen in der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern. Zuständig ist der Chefarzt Prof. Dr. med. Daniel Surbek. Die Zellisolierung und Einlagerung erfolgen in der privaten Firma SSCB, die als bisher einzige Firma in der Schweiz die höchste Zertifizierung als Nabelschnurblutbank vorweisen kann. Im Projekt weiter beteiligt sind die Blutspende SRK Schweiz und die Kommission Swisscord, welche auf nationaler Ebene die Aktivitäten im Zusammenhang mit Nabelschnurblut überwacht. Die Bewilligung für die hybride Stammzellenlagerung wurde der Firma SSCB am 12. Juni 2020 durch das Bundesamt für Gesundheit erteilt. Das Pilotprojekt ist auf 6 Monate angelegt. Danach werden die Erfahrungen evaluiert und nächste Schritte geplant, wie etwa eine Ausweitung des Angebotes.
Experten:
Prof. Dr. Daniel Surbek, Co-Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern
Blutspende SRK Schweiz: Dr. Oliver Kürsteiner, Leiter Swiss Blood Stem Cells und Dr. med. Grazia Nicoloso, Chief Medical Officer Swiss Blood Stem Cells
SSCB (Swiss Stem Cells Biotech): Dr. med. Damiano Castelli, Medical Director und Dr. Veronica Albertini, Chief Scientific Officer