Neutralisierende Antikörper im Kampf gegen COVID-19
Eine wichtige Verteidigungslinie im Kampf gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist die Bildung von neutralisierenden Antikörpern. Diese können die Eindringlinge ausschalten und haben ein großes Potenzial, zum Schutz und zur Therapie von COVID-19 effektiv eingesetzt zu werden. Dem Forscherteam um Univ.-Prof. Dr. Florian Klein von der Uniklinik Köln und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist es nun gelungen, Teile der Entwicklung dieser Antikörper zu entschlüsseln und gleichzeitig hochpotente neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu isolieren. Die Antikörper werden aktuell zusammen mit Boehringer Ingelheim weiter charakterisiert und entwickelt und sollen nach Möglichkeit noch in diesem Jahr im Rahmen von klinischen Studien untersucht werden. Die Ergebnisse sind aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Cell publiziert worden.
„Unser Ziel war es, die Immunantwort gegen SARS-CoV-2 besser zu verstehen und gleichzeitig hochpotente Antikörper zu identifizieren, die als Medikament für eine passive Immunisierung oder zur Therapie von COVID-19 eingesetzt werden können“, erklärt Univ.-Professor Dr. Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Köln und Projektleiter im DZIF. „Wir gehen davon aus, dass solche Antikörper über mehrere Wochen wirksam sind und in dieser Zeit vor einer Erkrankung schützen könnten“ ergänzt Dr. Christoph Kreer, der zusammen mit Dr. Matthias Zehner die Arbeiten in Köln durchgeführt hat.
In enger Kooperation mit Wissenschaftlern aus Marburg, Frankfurt, München, Tübingen und Israel haben die Forscher im Blut von zwölf genesenen COVID-19 Patienten gezielt nach Antikörpern gegen SARS-CoV-2 gesucht. Zu diesem Zweck wurden über 4000 SARS-CoV-2-spezifische B-Zellen aus dem Blut der Genesenen auf Einzelzellebene untersucht und somit die Antikörperbildung in Teilen entschlüsselt. In der Folge wurden 255 Antikörper im Labor nachgebaut und durch die Gruppe von Prof. Dr. Stephan Becker in Marburg auf ihre Neutralisationsaktivität gegen SARS-CoV-2 untersucht. Insgesamt fanden die Wissenschaftler 28 Antikörper, die SARS-CoV-2 effektiv neutralisieren konnten.
„Eine Besonderheit an den hier gefundenen neutralisierenden Antikörpern ist, dass sie kaum Anzeichen eines längeren Reifungsprozesses aufweisen. Das heißt, sie mussten sich nur wenig anpassen, um das Virus effektiv erkennen und neutralisieren zu können“ erklärt Dr. Zehner. Tatsächlich konnten die Wissenschaftler in Blutspenden, die vor der Pandemie isoliert wurden, B-Zellen identifizieren, welche schon sehr ähnliche Vorstufen für SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper aufwiesen. Dies lässt vermuten, dass SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper rasch vom Immunsystem, zum Beispiel in Folge einer aktiven Immunisierung, gebildet werden können und gibt Hoffnung, dass ein aktiver Impfstoff in der breiten Bevölkerung einen schnellen Schutz bieten könnte.
Die entwickelten Antikörper könnten sowohl zum Schutz vor einer Infektion als auch zur Therapie bei COVID-19 eingesetzt werden. Zudem ist ein Einsatz zur sogenannten Postexpositionsprophylaxe vorstellbar. Hier wird der Antikörper Personen verabreicht, die mit dem Virus in Kontakt gekommen sind, aber noch nicht erkrankt sind. „Gerade um lokalisierte Ausbrüche zu stoppen und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern, zum Beispiel bei Risikopersonen, ist diese Form des Einsatzes von besonderer Bedeutung“, so Prof. Klein.
Die Wissenschaftler planen daher bereits die ersten klinischen Prüfungen, die voraussichtlich Ende 2020 starten können. „Wir hoffen, dass die klinische Erprobung gute Ergebnisse zeigt und wir dann rasch mit der klinischen Prüfung fortfahren können. Wir haben bereits Erfahrung mit dem Einsatz von Antikörpern zur Behandlung von Infektionskrankheiten“, so Prof. Klein weiter, „und sind zuversichtlich, dass auch bei COVID-19 immunologische Prinzipien effektiv gegen das Virus eingesetzt werden können.”
Publikationen zum Thema
Juli 2020
Cell
Longitudinal isolation of potent near-germline SARS-CoV-2-neutralizing antibodies from COVID-19 patients
Autoren: Kreer C, Zehner M et al.