Operativer Herzklappenersatz: Maßgeschneiderte Aortenklappe aus eigenem Herzgewebe
Neue Operationsmethode für Klappenersatz: Forscher des Uniklinikums Schleswig-Holstein erproben neue „Ozaki-Prozedur“ – unterstützt mit Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung
Bei der neuen Operationsmethode für Herzklappenersatz können Chirurgen Ersatzherzklappen aus körpereigenem Gewebe formen und gegen die erkrankte Herzklappe austauschen. Das hat viele Vorteile – vor allem für jüngere Patienten. Viele Fragen rund um diese sogenannte „Ozaki-Prozedur“ sind jedoch noch offen. Für deren Klärung fördert die Deutsche Herzstiftung (www,herzstiftung.de) mit der von ihr gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) die detaillierte Erforschung des vielversprechenden Verfahrens durch Wissenschaftler des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck (UKSH) mit der „Dr. Rusche-Projektförderung“ in Höhe von 60.000 Euro. Das Vorhaben* wird von Dr. med. Buntaro Fujita, Leiter der herzchirurgischen Forschung in der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie am UKSH mit Kollegen durchgeführt.
Warum die Ozaki-Prozedur?
Die häufigste Erkrankung der Herzklappen ist die Aortenklappenstenose, eine Verengung (Stenose) der Aortenklappe. Rund vier Prozent der 60- bis 70-Jährigen und bis zu zehn Prozent der über 80-Jährigen leiden daran in Deutschland. Fast 70.000 Patienten werden alljährlich mit einer Aortenklappenstenose stationär aufgenommen. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, kommt es innerhalb weniger Jahre zu einer schweren Herzschwäche oder gar zum Tod. Der frühzeitige Austausch der defekten Klappe kann das Herz vor schweren Schäden bewahren und die Lebensqualität der Betroffenen erhalten. Bislang nutzen die Herzchirurgen als Klappenersatz entweder künstliche (mechanische) Klappen aus Metall oder biologische Klappen, zumeist von Rindern oder Schweinen. Beide Ersatzklappentypen haben Vor- und Nachteile: Die mechanische Klappe ist lange haltbar, macht aber die lebenslange Einnahme gerinnungshemmender Medikamente notwendig (Antikoagulation). Nur so lässt sich dem Entstehen von Blutgerinnseln vorbeugen, die etwa zu Schlaganfällen führen können. Biologische Klappen erfordern keine lebenslange Antikoagulation, haben aber eine begrenzte Lebenszeit von zehn bis 15 Jahren. Bei Kindern und jungen Erwachsenen mit angeborenen Klappenfehlern kann die Haltbarkeitsdauer noch kürzer sein. Die Klappe muss dann erneut ausgetauscht werden.
Lösung für ein Dilemma: höhere Haltbarkeit, weniger Gerinnungshemmer
Die Ozaki-Prozedur könnte eine Lösung für dieses Dilemma sein: Statt mechanische Klappen aus Metall oder biologische Klappen von Tieren zu implantieren, maßschneidern die Chirurgen während der Operation eine neue Aortenklappe aus patienteneigenem Gewebe. Benannt ist die neue Methode nach Shigeyuki Ozaki, einem japanischen Herzchirurgen, der das Verfahren entwickelt hat. „Die Ozaki-Prozedur hat das Potenzial, die positiven Eigenschaften von mechanischen und biologischen Klappen zu kombinieren“, erklärt Fujita. Wie gut die neue Methode im Vergleich zur herkömmlichen Vorgehensweise funktioniert und wie sie verbessert werden kann, wollen Fujita und seine Forscherkollegen im Labor detailliert untersuchen. Um die Ersatzklappe nach der Ozaki-Methode herzustellen, benutzen die Chirurgen Gewebe vom Herzbeutel (Perikard) des Patienten: Sie entfernen während der Operation zunächst die defekte Aortenklappe, schneiden sodann ein kleines Stück des Perikards heraus, rekonstruieren daraus die Aortenklappe in der für den Patienten individuell passenden Größe und nähen die fertige Klappe wieder am natürlichen Klappenring des Patienten an. „Das kommt der natürlichen Aortenklappe sehr nahe“, sagt Fujita, zumal das körpereigene Gewebe keine Abwehrreaktionen des Immunsystems provoziere – die Angriffe der Immunzellen lassen körperfremdes biologisches Klappenmaterial mit der Zeit degenerieren. Die neue Klappe aus patienteneigenem Perikard verspricht nicht nur haltbarer zu sein. Auch die lebenslange Einnahme von Gerinnungshemmern dürfte verzichtbar werden: Anders als mechanische Klappen aus Metall stören die Ersatzklappen aus körpereigenem Gewebe nicht die Blutgerinnung und begünstigen das Entstehen gefährlicher Blutgerinnsel. Möglicherweise funktionieren die maßgeschneiderten Klappen auch besser und können ihre Aufgabe als richtungsweisende Ventile zuverlässiger erfüllen: Im Unterschied zu den herkömmlichen Prothesen kommen sie ohne Befestigung an einen künstlichen Prothesenring, der hart und unflexibel ist. Aufgrund der erhalten gebliebenen Elastizität kann sich die Ozaki-Klappe optimaler an den Blutfluss und die natürlichen Strömungsverhältnisse anpassen. Und nicht zuletzt: Sollte die Ozaki-Klappe dennoch im Laufe des Lebens verschleißen, lässt sich voraussichtlich mit der minimalinvasiven TAVI-Methode ohne erneute Operation am offenen Herzen ersetzen.
Fokus liegt auf Langzeiteffekten der neuen Ozaki-Klappen
Insgesamt sprechen viele Gründe – zumindest theoretisch – dafür, dass die via Ozaki-Prozedur hergestellten Klappen wesentlich mehr Gemeinsamkeiten mit den natürlichen Herzklappen haben als die bislang verwendeten Prothesen. „Zugleich hoffen wir, dass sich diese wichtigen Punkte auch auf die Langzeiteffekte des Aortenklappenersatzes und damit auf die Prognose des Patienten auswirken“, betont Prof. Dr. med. Armin Welz, Herzchirurg und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF. Klinische Daten indes, die diese Vorteile handfest belegen, gibt es bislang nur wenige. Das wollen die Forscher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein ändern: In drei umfangreichen Teilprojekten prüfen sie unter Laborbedingungen, ob die Ozaki-Klappen im Vergleich zu den üblichen Prothesen auch praktisch halten können, was sie theoretisch versprechen. Am Ende der Untersuchungen sollen Empfehlungen stehen, die eindeutig für oder gegen die neue Methode sprechen.
*Titel des Forschungsvorhabens:
In-vitro Evaluierung der Neokuspidalisierung nach Ozaki: Quantitative und qualitative hämodynamische Performance im Vergleich etablierter Aortenklappensubstitute sowie Durchführbarkeit einer TAVI-in-Ozaki-Prozedur
Forschen für den Patienten
Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifterinnen und Stifter, Spender und Erblasser kann die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit der von ihr 1988 gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) Forschungsprojekte in einer für die Herz-Kreislauf-Forschung unverzichtbaren Größenordnung finanzieren. Die 2008 eingerichtete „Dr. Rusche-Projektförderung“ ist mit 60.000 Euro dotiert und wird jährlich von der DSHF zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) vergeben. Benannt ist der Stiftungsfond nach dem Internisten Dr. Otwin Rusche (1938 bis 2007) aus Bad Soden, der die DSHF in seinem Testament bedachte, um Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Herzchirurgie zu fördern. Bewerben können sich junge Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler, die in Deutschland auf dem Gebiet der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie tätig sind (www.dshf.de).
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