Corona in Würzburger Kindergärten: die Wü-KiTa-CoV Studie
Im Herbst startet in Würzburg eine neue Studie, an der mehr als 800 Kinder im Kindergartenalter teilnehmen. Sie soll dazu beitragen, einen sicheren und kontinuierlichen Betrieb der Kinderbetreuung in Coronazeiten zu ermöglichen.
Seit gut fünf Monaten hat das neue Coronavirus SARS-CoV-2 den Alltag der Menschen in Deutschland drastisch verändert. Sämtliche Maßnahmen, seine Ausbreitung einzudämmen, haben zu deutlichen Einschränkungen geführt, die das tägliche Leben und das Miteinander in erheblichem Ausmaß beeinträchtigen. Unter anderem haben die Bundesländer seit Mitte März Kindertagesstätten und Schulen geschlossen beziehungsweise nur einen deutlich reduzierten Betrieb zugelassen, um Infektionsketten zu unterbrechen und Neuansteckungen zu vermeiden.
Dies hatte sowohl für die Kinder als auch für die betroffenen Familien erhebliche Konsequenzen. Ohne den Kontakt zu Freundinnen und Freunden, ohne einen geregelten Schulbesuch fehlen Kindern wesentliche Voraussetzungen für eine gesunde körperliche, psychische und soziale Entwicklung, so die Befürchtung vieler Mediziner und Pädagogen.
Inzwischen werden seit Anfang Mai Kindertagesstätten und Schulen in Bayern wieder schrittweise geöffnet. Damit wächst gleichzeitig die Angst vor einer „zweiten Welle“ der Virus-Pandemie. Ob und inwieweit dieser Öffnungsprozess unproblematisch ist, ob damit einer Ausbreitung des Virus wieder Tür und Tor geöffnet wird oder ob, ganz im Gegenteil, Kinder an der Ausbreitung des Coronavirus nicht entscheidend beteiligt sind, wie eine Studie aus Sachsen jüngst behauptete: Das alles ist aus Sicht der Wissenschaft aktuell nicht abschließend geklärt.
Regelmäßige Tests über drei Monate hinweg
Aus diesem Grund startet im Herbst 2020 in Würzburg in einer gemeinsamen Initiative der Stadt, der Universität und des Universitätsklinikums die Wü-KiTa-CoV-Studie, in deren Mittelpunkt die Rolle von Kindern und Kinderbetreuungseinrichtungen für die Corona-Ausbreitung steht. Insgesamt neun der etwa 80 in Würzburg vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen mit mehr als 800 Kindern im Kindergartenalter (im Alter von ein bis sieben Jahren) sowie deren Betreuerinnen und Betreuer können daran teilnehmen. Über einen Zeitraum von zwölf Wochen wird ein Teil von ihnen regelmäßig darauf getestet, ob eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus vorliegt. Eine Befragung von Eltern und Betreuungspersonal zu deren Situation ist ebenfalls Teil der Studie.
Ziel der die Wü-KiTa-CoV-Studie ist es herauszufinden, wie Infektionen mit dem neuen Corona-Virus in Kinderbetreuungseinrichtungen möglichst frühzeitig, einfach und am wenigsten belastend für Kinder und deren Eltern entdeckt werden können. Hierbei wird jeweils eine ein- oder zweimalige wöchentliche Routinetestung mit einer Testung, die erst nach dem Auftreten einer Erkrankung in der Familie durchgeführt wird, verglichen. Die Studie soll auf diese Weise dazu beitragen, auch während der Corona-Pandemie einen möglichst sicheren und kontinuierlichen Betrieb der Kinderbetreuung zu ermöglichen und die Ausbreitung von SARS-CoV-2 in den beteiligten Einrichtungen zu unterbinden.
Viele Beteiligte
Leiter der Wü-KiTa-CoV-Studie sind der Mikrobiologe Oliver Kurzai (Universität Würzburg) und der Kinder- und Jugendarzt Johannes Liese (Universitäts-Kinderklinik). Daran beteiligt sind zahlreiche weitere Partner, darunter die Virologie, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Allgemeinmedizin der Würzburger Uniklinik.
Finanziert wird die Studie mit mehr als einer Million Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsnetzwerks InfectControl. Um ihren Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu leisten, haben mehrere geförderte Bündnisse aus der Programmfamilie „Unternehmen Region“ neue Ideen entwickelt. Das BMBF unterstützt 24 dieser Projekte mit zusätzlichen 32 Millionen Euro, darunter auch mehrere Vorhaben von InfectControl 2020. Das vom Leibniz Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena koordinierte Konsortium, dessen wissenschaftlicher Geschäftsführer Professor Kurzai ist, wird vom BMBF im Programm „Zwanzig20 – Partnerschaft durch Innovation“ gefördert.
Stimmen zu der neuen Studie.
„Die Wü-KiTa-CoV-Studie ergänzt in idealer Weise andere Forschungsvorhaben zu COVID-19 – insbesondere die bayernweite COVID-Kids-Bavaria-Studie, an der die Kinderklinik des Universitätsklinikum Würzburg ebenfalls beteiligt ist.“ Prof. Dr. Christoph Härtel (Direktor der Würzburger Universitätskinderklinik)
„Wir möchten herausfinden, wie wir bestmöglich auch während der Pandemie eine kontinuierliche und sichere Betreuung in Kindergärten ermöglichen können. Ein wichtiger Faktor der Studie sind auch die geplanten Befragungen, die uns über die Belastung von Kindern, Familien und dem betreuenden Personal durch die Pandemie und die Akzeptanz der geplanten Untersuchungen Auskunft geben sollen.“ Prof. Dr. Johannes Liese (Pädiatrische Infektiologie und Immunologie, Universitäts- Kinderklinik Würzburg)
„Wenn die Ergebnisse der Studie im Frühsommer 2021 vorliegen, können wir konkrete Aussagen zur Akzeptanz unter den Teilnehmern und zur praktischen Durchführbarkeit der verschiedenen Konzepte treffen. Außerdem wird es möglich sein, deren konkreten Kosten zu berechnen.“ Prof. Dr. Oliver Kurzai (Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Universität Würzburg)
„Es ist eine Auszeichnung für den Medizin- und Uniklinik-Standort Würzburg, dass wir im Rahmen dieses Netzwerkprojekts – gefördert vom BMBF – unseren Beitrag zur Corona-Bekämpfung leisten dürfen. Bisher lag der Fokus aufgrund der Gefährdung stark auf unseren älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung und im Sinne der Prävention spielen die Jüngsten in unserer Gesellschaft aber auch eine Schlüsselrolle bei erfolgreichen Strategien gegen diese Pandemie. Es ist gut, wenn die Forschung auch diesbezüglich schnell alle Wissenslücken schließt.“ Christian Schuchardt (Oberbürgermeister, Stadt Würzburg)
„Über 800 Würzburger Kindergartenkinder werden ab Herbst zu kleinen Helden bei der Corona- Bekämpfung. Das Ganze aber natürlich ohne dadurch einer Gefahr ausgesetzt zu sein, im Gegenteil: Es wird noch genauer hingeschaut, getestet und nachgefragt. Es geht darum, von den Kleinen, ihren Eltern und den Betreuerteams zu erfahren, wie sich Corona-Schutz-Maßnahmen in den Kinderbetreuungseinrichtungen am erfolgreichsten organisieren lassen. Hierbei kann man auch offen über Ängste und Unbehagen mit gewissen Abläufen sprechen. Bislang kam bei täglich neuen Vorgaben und Erkenntnissen diese psychische Komponente vielleicht zu kurz, deswegen unterstütze ich diese breit angelegte Studie.“ Dr. Hülya Düber (Jugend-, Familien- und Sozialreferat, Stadt Würzburg)