Alleinerziehend in Corona-Zeiten – Sorgen vor einer Verschlechterung bei steigenden Zahlen
„Kinder von Alleinerziehenden und Alleinerziehende sind in diesen Corona-Zeiten ganz besonders gefährdet“, so Prof. Dr. Matthias Franz, (Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie). Bei den nun wieder steigenden Fallzahlen macht sich der Arzt für Psychosomatische Medizin Sorgen um die rund 2,18 Millionen minderjährigen Kinder, die in Ein-Eltern-Familien aufwachsen und die 1,52 Millionen Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren – 88 Prozent von ihnen sind Mütter.
Wegen der komplexen und etwa bei der Hälfte der Alleinerziehenden jahrelang anhaltenden vielfachen Belastungen bestehen bei alleinerziehenden Müttern und Vätern erhöhte Häufigkeitsraten für psychosomatische Erkrankungen, chronische Schmerzen und psychische Störungen. Vor allem Depressionen, Angststörungen und Rauchen treten bei Alleinerziehenden zwei- bis dreimal so häufig auf wie bei Eltern in Partnerschaften.
„Während der ersten Welle waren Alleinerziehende aufgrund ihrer ohnehin häufiger bestehenden Einsamkeit deutlich stärker belastet von den Einschränkungen, die Corona mit sich brachte. Die nun steigenden Fallzahlen führen bei vielen zu großen Sorgen“, so Franz.Die Kinder der Betroffenen haben unter dem Corona-bedingten Kontaktverbot zusätzlich gelitten, das sollte nicht erneut wieder drohen: „Es ist erwiesen, dass Konflikte, elterliche Überforderung und eingeschränkte Elternkompetenzen das kindliche Risiko für psychische Beeinträchtigungen erhöhen und zu Problemverhalten führen können, deren Folgen bis ins spätere Erwachsenenleben nachweisbar sind“, so Franz.
Der Mediziner beobachtet zudem: „Nach der Trennung zerstrittene Eltern haben im Corona-Virus einen willkommenen Grund gefunden, um den Umgang auszusetzen. Betroffene Väter und Mütter können sich dagegen kaum wehren, denn auch Gerichte und Jugendämter sind nur eingeschränkt handlungsfähig:“ Franz betont: „Für Kinder kann der fehlende Kontakt zu Mutter oder Vater gravierende Folgen haben. In einer ohnehin unsicheren Situation verunsichert es sie noch mehr, wenn sie einer Bezugsperson, die sie bislang regelmäßig gesehen haben, nicht mehr nahe sein können.“
Hilfe für Alleinerziehende gibt es – auch in Corona-Zeiten! – mit dem Elterntraining „wir2“. Das strukturierte Gruppenprogramm basiert auf entwicklungspsychologischen, psychodynamischen und bindungswissenschaftlichen Grundlagen und fokussiert auf das emotionale Erleben, den Umgang mit Affekten und Gefühlen. Die Gesundheit der Alleinerziehenden, ihre Beziehung zu sich selbst und ihren Kindern wird gefördert durch einen individuell erlebniszentrierten Lernzyklus innerhalb eines affektmobilisierenden, selbstwertregulativ positiv rückgekoppelten Gruppenprozesses, wodurch das Erlebte und Gelernte besonders gut verarbeitet und langfristig beibehalten werden kann. Das wir2-Programm bessert psychosomatische Belastungen der Eltern nachhaltig – mit positiven Auswirkungen auch auf die Kinder.
Aktuell ist Hilfe für die Betroffenen zum einen mit einer „wir2“-Version, die mit weniger Sitzungen in einem interaktiven Videoportal durchgeführt werden kann und die gerade von den Düsseldorfer Medizinern entwickelt wird, möglich. Zudem ist für stärker belastete Alleinerziehende am Düsseldorfer Universitätsklinikum eine weitere Programmvariante für die stationäre psychosomatische Rehabilitation entwickelt worden: „wir2Reha“. Diese sechswöchige Rehabilitationsmaßnahme für alleinerziehende Eltern zusammen mit ihren Kindern richtet sich – zunächst im Rahmen einer von der DRV und dem BMBF geförderten Studie – an psychosozial hoch belastete Alleinerziehende, deren Arbeitsfähigkeit aufgrund psychosomatischer Beschwerden bedroht ist. Das Programm wird in zwei psychosomatischen Fachkliniken (Bad Elster und Schömberg) angeboten.
Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 wirft zahlreiche Fragen nicht nur zu den gesundheitlichen, sondern auch zu wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Folgen auf. Die Wissenschaft liefert hier entscheidende Fakten und Antworten. Viele Forscherinnen und Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) aus unterschiedlichen Disziplinen sind durch ihre Arbeit aktuell gefragte Gesprächspartner der Medien oder auch direkt in das Pandemie-Krisenmanagement eingebunden. Die HHU möchte ihre wissenschaftliche Expertise in die öffentliche Diskussion einbringen, um so zur Einordnung und Bewältigung der Corona-Krise beizutragen.