Das weibliche Gesicht des Herzinfarkts
Im Gespräch mit Prof. Bernward Lauer, Kardiologe und leitender Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin I
Was unterscheidet den Herzinfarkt bei Frauen von dem bei Männern?
Prof. Lauer: Das Erkrankungsbild ist ein und dasselbe. Zum Herzinfarkt kommt es durch den Verschluss einer Herzkranzarterie, also einer Schlagader, die den Herzmuskel mit Blut versorgt. Das Gefäß wird durch einen Thrombus, also ein Blutgerinnsel, verschlossen. Auch die Risikofaktoren sind bei Frauen wie Männern gleich: Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht. Geschlechterunterschiede gibt es bei den Symptomen und der Sterblichkeit. Frauen sterben häufiger an einem Infarkt als Männer.
Was sind weibliche Infarktsymptome?
Prof. Lauer: Ein Herzinfarkt muss sich nicht klassischerweise durch plötzliche starke Schmerzen hinter dem Brustbein, die in den linken Arm ausstrahlen, Brustenge (Angina Pectoris), schwere Atemnot und ein massives Angstgefühl, buchstäblich Todesangst, bemerkbar machen. Gerade bei Frauen treten oft atypische Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel auf, zudem spüren sie häufig keine Atemnot. Bei Frauen wird ein Infarkt deshalb oft übersehen oder zu spät erkannt. Das ist ein Grund, warum er bei ihnen häufiger tödlich verläuft als bei Männern. Der zweite Grund: Frauen sind meist älter als Männer, wenn sie ein Infarkt ereilt.
Wie lässt sich das erklären?
Prof. Lauer: Bis zur Menopause sind Frauen durch ihre hormonelle Ausstattung, nämlich das weibliche Sexualhormon Östrogen, vor einem Infarkt geschützt. Sinkt nach den Wechseljahren der Östrogenspiegel im Körper, lässt diese Schutzwirkung für die Blutgefäße nach. Im Durchschnitt sind Frauen bei einem Infarkt etwa zehn Jahre älter als Männer. Je älter sie sind, desto häufiger kämpfen sie mit Co-Erkrankungen, zum Beispiel-Diabetes. Zusätzliche Erkrankungen erhöhen das Sterblichkeitsrisiko bei einem Herzinfarkt.
Erhalten Frauen und Männer bei einem Herzinfarkt die gleiche medizinische Versorgung?
Prof. Lauer: Die Standardtherapie – in der Akutversorgung die Öffnung des Gefäßverschlusses, anschließend die dauerhafte medikamentöse Behandlung mit Blutverdünnern, herzentlastenden Medikamenten (Betablocker) und Cholesterinsenkern (Statine), Umstellung auf eine herzgesunde Ernährung und mehr Bewegung – sollte sich bei Frauen und Männern eigentlich nicht unterscheiden. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass Frauen seltener als Männer mit Betablockern behandelt werden. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Teilweise könnte das damit zusammenhängen, dass möglicherweise Frauen wegen Nebenwirkungen die Medikamente häufiger nicht einnehmen können oder aber dass diese Medikamente Frauen auch weniger verordnet werden.
Wie können sich Frauen vor einem Infarkt schützen?
Prof. Lauer: Der beste Schutz vor Herzinfarkt ist die Minderung von Risikofaktoren und dies betrifft Frauen und Männer gleichermaßen. Also: der Verzicht aufs Rauchen, regelmäßige Blutdruckkontrolle und -einstellung, gesunde, fettarme Ernährung, Gewichtsreduzierung bei Übergewicht, Sport und Bewegung.
Was ist die richtige Reaktion bei untypischen Infarktsymptomen?
Prof. Lauer: Ein Herzinfarkt ist immer ein Notfall! Deshalb sollten Frauen bei unklaren Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Schwindel immer sofort den Notruf 112 wählen. Sie sollten nicht bis zum nächsten Tag warten. Faustregel: Was man von sich selbst nicht kennt und bedrohlich wirkt, erfordert den Notarzt. Meist zögern die Patienten zu lange. Je schneller Infarktpatienten in ein Krankenhaus kommen, desto besser sind ihre Überlebenschancen.