Überdiagnostik: Warum Röntgen und Co. bei Rückenschmerzen nicht immer etwas bringen
Heftige Rückenschmerzen lassen die Betroffenen oft ratlos und manchmal auch verzweifelt zurück. Denn eine konkrete Ursache lässt sich nicht immer finden. Von bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder einer Computertomographie erhoffen sich dann viele eine Erklärung für die Schmerzen. Warum eine Bildgebung seltener hilft als man glaubt und worin die Gefahr einer Überdiagnostik besteht, erklärt die Stiftung Gesundheitswissen in ihrer Themenwoche Rückenschmerzen.
Akute Kreuzschmerzen bessern sich meist innerhalb der ersten sechs Wochen – oft sogar ohne, dass ein Arztbesuch oder eine spezielle Therapie nötig ist. Trotz allem kann es sinnvoll sein, ärztliche Hilfe zu suchen. Beispielsweise sind in ein oder beide Beine ausstrahlende Schmerzen mit deutlichen Gefühlsstörungen, Schwächegefühl, Gefühlsstörungen in der Gesäßregion oder Fieber und Abgeschlagenheit Warnhinweise, die unbedingt ärztlich abgeklärt werden sollten.
Trotz gründlicher Untersuchung lässt sich in den meisten Fällen keine konkrete körperliche Ursache für die Schmerzen ausmachen. Man spricht dann von „nicht-spezifischen“ Kreuzschmerzen. Nicht selten werden dann weitere Untersuchungen veranlasst – teilweise auch um Patienten nicht zu enttäuschen. Diese erhoffen sich nämlich von Röntgen, CT oder MRT eine Erklärung.
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei jedem vierten Rückenschmerzpatienten eine bildgebende Untersuchung gemacht wird, obwohl in weniger als 1% der Fälle eine ernste Ursache zugrunde liegt, die dringend z. B. per Röntgenbild geklärt werden muss. Deshalb raten internationale und nationale Leitlinien vom routinemäßigen Einsatz bildgebender Untersuchungsverfahren ab. Sie führen laut Studien nicht zu besseren Behandlungserfolgen. Denn auch wenn sich beim Blick ins Körperinnere eine Auffälligkeit zeigt, muss diese noch lange nicht für die Schmerzen verantwortlich sein. Auch bei Menschen ohne Rückenschmerzen lassen sich durchaus dieselben Auffälligkeiten finden, z. B. Abnutzungserscheinungen.
Was sind eigentlich Kreuzschmerzen und wie lassen sie sich behandeln? Ein Themenüberblick:
- Was sind nicht-spezifische Kreuzschmerzen, welche Ursachen gibt es?
- Wie werden nicht-spezifische Kreuzschmerzen diagnostiziert?
- Wie lassen sich Kreuzschmerzen behandeln?
- Erfahrungsberichte, Anlaufstellen und Tipps für den Alltag
Röntgen, CT oder MRT können auch Auffälligkeiten ans Tageslicht bringen, die gar keine Beschwerden verursachen. Diese sogenannten Zufallsbefunde verunsichern und ziehen oft weitere Untersuchungen oder Folgebehandlungen nach sich. Schneller gesund werden die Betroffen in der Regel dadurch nicht. Im Gegenteil: Unnötige Behandlungen bürgen auch die Gefahr, mehr zu schaden als zu nutzen. So weist die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin in ihrer Leitlinie zum Schutz vor Über- und Unterversorgung bei Kreuzschmerzen darauf hin, dass intensive Diagnostik ohne klinischen Verdacht dazu führen kann, dass Betroffene in ihrer Vermutung, tatsächlich an der untersuchten Stelle an einem körperlichen Defekt zu leiden, bestärkt werden. Dies kann eine Chronifizierung der Schmerzen fördern.
Außerdem bedeutet jede Röntgen- und CT-Untersuchung für den Körper auch, dass er weitere, möglicherweise unnötige Strahlung aufnimmt. Röntgenstrahlen sind sehr energiereich und können in höheren Dosen das Erbgut der Zellen schädigen und dadurch Krebserkrankungen begünstigen.
Verzichtet der Arzt, die Ärztin auf eine Bildgebung, heißt das nicht, dass er oder sie die Mühe scheut. Vielmehr dient dies dazu, überflüssige Untersuchungen zu vermeiden. Das Verständnis für solche Empfehlungen des Arztes wächst, wenn Behandlungswege offen besprochen werden und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Eine gute Vorbereitung auf das Arztgespräch kann da helfen. Die „Fünf Fragen an den Arzt“ der Stiftung Gesundheitswissen unterstützen Patienten dabei die richtigen Fragen zu stellen und die bestmögliche Behandlung zu erhalten.