DPV-Register: 25 Jahre strukturierte Datenerfassung – eine Bilanz
Seit 1995 gibt es das DPV-Register. Fast alle pädiatrischen und viele internistische Diabeteszentren aus Deutschland und Österreich beteiligen sich daran, sodass über die aktuelle Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes – aber auch über Veränderungen in den letzten 25 Jahren – ein sehr zuverlässiges Bild besteht. Auf einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 17. September 2020 um 11 Uhr präsentiert DDG Experte Professor Reinhard Holl die Ergebnisse aus einem Vierteljahrhundert Datenerfassung und der damit verbundenen Forschung. Zudem wird erläutert, wo Fortschritte in der Versorgung gemacht wurden, wo noch Defizite bestehen und welche Möglichkeiten eine systematische Datenerfassung derzeit und in Zukunft liefert und liefern kann. Ganz aktuell gibt das Register auch Antworten zu Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Kinder mit Typ-1-Diabetes.
Seit nunmehr 25 Jahren besteht mit dem DPV-Register für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene eine bundesweite Initiative zur Qualitätssicherung, die individuelle Patientendaten wie Geschlecht, Manifestationsalter und Diabetestyp multizentrisch erfasst. „Durch diese Datensammlung von inzwischen über 92.000 Kindern und Jugendlichen konnten wir über die Jahre insgesamt eine Verbesserung in der Stoffwechseleinstellung der Patientinnen und Patienten feststellen“, bilanziert DDG Experte Professor Dr. med. Reinhard Holl, Vorsitzender der AG Diabetologie Baden-Württemberg e.V.. „Darüber hinaus liefert es uns einmalige Erkenntnisse zu seltenen Diabetesformen wie dem Neugeborenen-Diabetes sowie Diabetes als Medikamenten-Nebenwirkung oder aktuell zu COVID-19-Auswirkungen auf Diabetespatienten.“
Insgesamt liegt in Deutschland eine gute medizinische Versorgungslage vor und die Therapieergebnisse haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Eine wichtige Entwicklung der vergangenen Jahre war der Einzug neuer Technologien wie Insulinpumpen und die kontinuierliche Glukosemessung in die Praxis. Bei immer jüngeren Patienten wurden diese erfolgreich eingesetzt: Während für das Behandlungsjahr 2015 noch bei 932 Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 eine sensorunterstützte Pumpentherapie (SUP) entweder mittels kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) oder Flash Glucose Monitoring (FGM) dokumentiert war, waren es drei Jahre später bereits 10.180 Patientinnen und Patienten.
„Aber nicht alles wird besser: Die Zahl gefährlicher Stoffwechselentgleisungen mit diabetischer Ketoazidose hat leider nicht abgenommen“, erklärt Holl, Leiter der Arbeitsgruppe Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Medizin im epidemiologischen Institut der Universität Ulm. Noch immer besteht eine diabetische Ketoazidose bei jedem fünften Patienten unter 20 Jahren bei Diagnosestellung des Typ-1-Diabetes. „Höchste Priorität hat daher die Früherkennung: Vermehrtes Trinken, häufiges Wasserlassen und Gewichtsabnahme sind die ersten Anzeichen einer Diabeteserkrankung“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Neu, Vizepräsident der DDG. Sind diese Symptome vorhanden, ist ein umgehender Arztbesuch zwingend notwendig um schwere Stoffwechselentgleisungen, die lebensbedrohlich werden können, zu verhindern, so der Kommissarische Ärztliche Direktor an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen.
Hinzu kommt die steigende Zahl von Typ-2-Diabetes-Patienten in dieser Altersgruppe. „Viele Kinder und Jugendliche in Deutschland haben heute Übergewicht oder sind adipös. Der Typ-2-Diabetes, der früher als „Altersdiabetes“ bezeichnet wurde, wird heute auch bei manchen schwer adipösen Minderjährigen diagnostiziert“, führt Holl aus. In Deutschland sind derzeit laut DPV-Register und anderen Datenquellen rund 1.000 Jugendliche betroffen, darunter knapp 70 Prozent Mädchen. 30 Prozent der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund.
Auch regionale Unterschiede sind durch die DPV-Datenerfassung abbildbar. Unter den 16 Bundesländern schwankt beispielsweise die Stoffwechseleinstellung bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes zwischen 7,5 Prozent und 8,4 Prozent. Schwere Unterzuckerungen (Hypoglykämien) treten je nach Bundesland bis zu 3,5-mal häufiger auf.
Am DPV-Register beteiligen sich derzeit 283 pädiatrische und 205 internistische Einrichtungen. 440 Zentren sind aus Deutschland, 43 aus Österreich, 4 aus der Schweiz und eines aus Luxemburg. Inzwischen wurden etwa 300 Publikationen zur DPV-Initiative veröffentlicht. Insgesamt sind mittlerweile knapp 650.000 Menschen mit Diabetes im DPV-Register erfasst.
Auf der Online-Pressekonferenz der DDG am 17. September 2020 diskutieren die Experten wie die Weichen für eine gute Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes gestellt werden können. Sie präsentieren Zahlen und Fakten aus dem DPV-Register, welche Möglichkeiten sich daraus für die künftige Diabetesversorgung und -forschung ergeben und warum eine Vernetzung von diversen digitalen Registern sinnvoll ist.
Literatur:
Holl, R, Prinz, N, Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes – aktuelle Situation und Veränderungen der letzten 24 Jahre, Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2020