COVID-19-freie Krankenhausbereiche können nach Operationen Leben retten
Weltweite Beobachtungsstudie zeigt bessere Ergebnisse in Kliniken mit klaren Regelungen
Millionen von Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt wurden wegen der Coronavirus-Pandemie verspätet oder gar nicht operiert / Chirurgische Eingriffe sind bei vielen Erkrankungen, etwa bei Krebs, trotz erhöhten Risiken, wie z.B. während einer weiteren Infektionswelle mit dem Coronavirus, notwendig und müssen durchgeführt werden / COVID-19-freie Krankenhausbereiche können so eingerichtet werden, dass Operationen sicher durchführbar sind, selbst wenn die Infektionsraten regional hoch sind / Regierungen sollten deshalb die Einrichtung ‚COVID-19-freier‘ Krankenhausbereiche unterstützen, um Patientinnen und Patienten besser zu schützen
Eine weltweite Beobachtungsstudie zeigt, dass die Einrichtung ‚COVID-19-freier‘ Krankenhausbereiche für chirurgische Patientinnen und Patienten bei neuen Infektionswellen Leben retten kann – denn dadurch lässt sich das Mortalitätsrisiko durch Coronavirus-bedingte Lungenerkrankungen senken. Die Studie wurde aktuell im Journal of Clinical Oncology publiziert.
Die COVIDSurg Collaborative, ein von der Universität Birmingham geleiteter internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus über 130 Ländern, der seit Beginn der Coronavirus-Pandemie zusammenarbeitet, stellte in einer Studie fest, dass Patientinnen und Patienten, die in ‚COVID-19-freien‘ Bereichen operiert und stationär behandelt wurden, bessere Ergebnisse aufweisen. In Kliniken, die Coronavirus-freie Bereiche vorsahen, und somit COVID-19-Erkrankte bzw. -Verdachtsfälle strikt von chirurgisch behandelten Patientinnen und Patienten trennten, waren die Ergebnisse deutlich besser als in Kliniken ohne klare Regelungen.
‚COVID-19-freie Zonen‘ wurden während der Pandemie weltweit, sowohl in kleinen Krankenhäusern als auch in großen Kliniken eingerichtet.
Als Vorsichtsmaßnahme, damit sich Patientinnen und Patienten im Krankenhaus nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren, wurden während der ersten Welle der Pandemie weltweit bereits Millionen von Operationen abgesagt oder verschoben. Allerdings sind viele Eingriffe dringlich, etwa bei Krebserkrankungen, denn sie können während Verzögerungen fortschreiten und sich dadurch verschlimmern oder sogar chirurgisch nicht mehr behandelbar werden.
„Für die Wiederaufnahme geplanter chirurgischer Eingriffe aber auch für die sichere Durchführung dringlicher Operationen bei Krebspatienten ist es wichtig die Patienten zu schützen. Dafür ist die Einrichtung spezieller COVID-19-freier Krankenhausbereiche ein geeignetes Mittel, um sicherzustellen, dass Patienten, die wegen COVID-19 behandelt werden, nicht mit Patienten in Kontakt kommen, die beispielsweise vor einer Tumoroperation stehen“, betont Professor Königsrainer, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen.
Die Studie konnte zum ersten Mal zeigen, dass Eingriffe aufgrund eines Tumors auf der ganzen Welt weiterhin sicher durchgeführt werden können, wenn COVID-19-freie Bereiche eingerichtet werden, um das Coronavirus-bedingte Risiko zu minimieren.
Zu diesem Zweck wurden Daten von 9.171 Patientinnen und Patienten aus 55 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten von Beginn der Pandemie bis Mitte April 2020 untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass bei Patienten, die in ‚COVID-19-freien‘ Bereichen stationär behandelt wurden, sowohl pulmonale Komplikationen (2,2% vs. 4,9%) seltener vorkommen als auch die postoperative Sterblichkeitsrate (0,7% vs. 1,7%) wesentlich geringer war. Allerdings wurden nur 27 Prozent der Studienpatientinnen und -patienten in Coronavirus-freien Bereichen behandelt.
Titel der Originalpublikation
Elective cancer surgery in COVID-19 free surgical pathways during the SARS-CoV-2 pandemic: An international, multi-centre, comparative cohort study – COVIDSurg Collaborative; https://ascopubs.org/doi/full/10.1200/JCO.20.01933
Hintergrundinformationen
Die COVIDSurg Collaborative ist ein Forschungsnetzwerk, das die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die chirurgische Versorgung untersucht. Am Netzwerk sind zwischenzeitlich viele tausend Ärztinnen und Ärzte und Forscherinnen und Forscher aus über 130 Ländern der Welt beteiligt. COVIDSurg führt derzeit weltweit während des Monats Oktober eine der bislang größten Beobachtungsstudien unter dem Titel COVIDSurg-Week zu chirurgischen Risiken im Zusammenhang mit Coronavirus-Infektionen durch und erhebt gleichzeitig chirurgische Vergleichsdaten und Qualitätsindikatoren, die zukünftig dabei helfen können die chirurgische Versorgung weltweit zu vergleichen und zu verbessern (https://globalsurg.org/surgweek/).
Erste wegweisende Erkenntnisse zu den Risiken chirurgischer Eingriffe bei Patientinnen und Patienten mit Coronavirus-Infektionen konnten in diesem Zusammenhang bereits Ende Mai in der Fachzeitschrift The Lancet publiziert werden (https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31182-X).
Zu den Personen
Prof. Dr. Alfred Königsrainer und Dr. Markus Quante sind die klinischen Studienleiter in Tübingen, die gemeinsam mit weiteren Kollegen die COVIDSurg Studien durchführen und an dieser weltweiten Initiative mitarbeiten.
Dr. Markus Löffler ist Mitglied im nationalen Leitungsgremium der COVIDSurg Collaborative und unterstützt die Initiative und die Studiendurchführung in Deutschland.