Bakteriengift mit heilsamer Wirkung

Internationales Forschungsteam unter Leitung von Pharmazeuten der Universität Jena deckt molekularen Regulationsmechanismus auf: giftige Substanz aus Staphylococcus aureus ist nicht nur zellschädigend, sondern stimuliert auch die Geweberegeneration

Normalerweise gehören sie zu den harmlosen Mitbewohnern des menschlichen Körpers: Bakterien der Art Staphylococcus aureus kommen bei jedem Vierten millionenfach auf der Haut und den Schleimhäuten der oberen Atemwege vor, ohne dass die Personen davon etwas merken. In bestimmten Fällen jedoch können aus den harmlosen Mitbewohnern pathogene Keime werden, die zu Hautentzündungen und Infektionen der Lunge oder – im schlimmsten Falle – zu einer Sepsis führen können. „Das passiert insbesondere dann, wenn sich die Bakterien zu stark vermehren, etwa, wenn die Immunabwehr eines Menschen durch eine Infektion oder eine Verletzung geschwächt ist“, sagt Prof. Dr. Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Professor für Pharmazeutische Chemie und sein Team haben die molekularen Abwehrmechanismen des menschlichen Immunsystems im Kampf gegen solche Staphylococcus aureus-Infektionen untersucht und dabei eine überraschende Entdeckung gemacht. Wie das Forschungsteam in der heute erscheinenden Ausgabe des Fachmagazins „Cell Reports“ schreibt, hat der Giftcocktail, mit dem Staphylococcus aureus befallene Zellen und Gewebe schädigt, auch positive Effekte: Bestimmte Immunzellen werden von dem Bakteriengift dazu angeregt, spezielle Botenstoffe zu produzieren, die Entzündungen abklingen lassen und deren Heilung fördern. Dieser bislang unbekannte Mechanismus könnte für künftige Therapien von Hautentzündungen und chronischen Wunden bedeutsam sein, erwartet Prof. Werz.

Immunzellen produzieren entzündungsauflösende Botenstoffe

In ihrer aktuellen Studie haben die Jenaer Forschenden von Universität, Universitätsklinikum und Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Harvard Medical School und der Universität Neapel insbesondere das Bakteriengift „α-Hemolysin“ unter die Lupe genommen und dessen Wirkung auf sogenannte M2-Makrophagen untersucht. M2-Makrophagen sind Immunzellen, die im späteren Verlauf einer Entzündungsreaktion dafür sorgen, dass abgetötete Bakterien und geschädigte Zellbestandteile abtransportiert werden und sich das Gewebe regeneriert. „Sie sind also so eine Art zelluläre Müllabfuhr“, beschreibt Paul Jordan, Doktorand in Werz‘ Team und Erstautor der Publikation die Funktion dieser Zellen.

Wie sich zeigte, bindet α-Hemolysin an bestimmte Rezeptorproteine auf der Oberfläche von M2-Makrophagen und löst damit in den Zellen die Produktion entzündungsauflösender Botenstoffe aus, die dann im weiteren Verlauf die Entzündung abklingen lassen. In der vorgestellten Untersuchung konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem zeigen, dass diese Botenstoffe in einem Tiermodell die Geweberegeneration fördern. Zu den entzündungsauflösenden Botenstoffen gehören u. a. sogenannte Resolvine, Maresine und Protektine, die aus Omega-3-Fettsäuren gebildet werden.

Die Studie wurde im Rahmen der Sonderforschungsbereiche SFB 1127 ChemBioSys und SFB 1278 Polytarget der Universität Jena durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Originalpublikation:

Jordan PM et al. Staphylococcus aureus-derived α-hemolysin evokes generation of specialized pro-resolving mediators promoting inflammation resolution, Cell Reports 33 (2020), https://doi.org/10.1016/j.celrep.2020.108247