Hilfe bei der Identifikation von Infektionsketten
Bundesgesundheitsministerium fördert MHH-Projekt zur digitalen Nachverfolgung von Corona-Kontakten
In Zeiten der Corona-Pandemie ist oberstes Ziel, das Virus einzudämmen und die Zahl der Neuinfektionen möglichst gering zu halten. Dabei helfen nicht nur Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen und das Tragen von Alltagsmasken. Auch die Identifikation von COVID-19-Infizierten und ihrer Kontaktpersonen ist eine wesentliche Strategie, um Infektionsketten zu unterbrechen und die unkontrollierte Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern. Die Kontaktpersonennachverfolgung ist Aufgabe der Gesundheitsämter, die jedoch bei hohen Infektionszahlen unter Umständen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Eine Erhebung möglicher Kontaktpersonen kann dann nur eingeschränkt erfolgen. Diese Lücke soll jetzt eine kartenbasierte Anwendungssoftware schließen, mit der positiv auf das Coronavirus getestete Personen selbst ihre Kontakte dokumentieren und so die Arbeit der Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung unterstützen können. Das Forschungsprojekt KADOIN (Kartenbasierte Dokumentation von Indexpatienten) ist an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) von Dr. Gernot Beutel aus der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation gemeinsam mit dem Geodaten-Experten Jens Wille und seiner Firma Ubilabs entwickelt und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit 510.000 Euro gefördert worden.
Kein Fremdzugriff auf Daten möglich
„KADOIN ist keine neue App, sondern ein visuelles, kartenbasiertes Dokumentationssystem, das von den Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellt werden soll“, erklärt der Mediziner. Ähnlich einer modernen Navigationssoftware verwendet das System einen kartenbasierten Ansatz. Im Unterschied zu einer zeitlich begrenzten telefonischen Befragung werden die Betroffenen per Mausklick an ihre letzten Aufenthaltsorte geführt und sollen sich so leichter an konkrete Situationen und die dazugehörigen Kontaktpersonen erinnern. Die Befragten können dann selbstständig und vom öffentlichen Gesundheitsdienst zeitlich unabhängig ihre zuvor im Telefoninterview getätigten Angaben zu Kontaktpersonen vervollständigen. Das Forschungsprojekt KADOIN untersucht die Fragestellung, ob ein szenisches Gedächtnisprotokoll die Datenqualität in der Kontaktnachverfolgung verbessern kann.
Abgerufen wird die Anwendung über das Internet. Der eigentliche Einsatz erfolgt jedoch ausschließlich lokal auf dem Endgerät der Benutzer. Da die Daten nicht auf zentralen Servern oder in einer Cloud gespeichert werden, ist ein Zugriff durch die Behörden nicht möglich. Erst wenn der Nutzer selbst die von ihm erfassten Informationen aktiv auf seinem lokalen Endgerät speichert, besteht die Möglichkeit die Kontaktlisten an das zuständige Gesundheitsamt zu übermitteln. Für die datenschutzrechtlichen Aspekte wurde seitens des BMG der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) beratend hinzugezogen.
KADOIN wird an der MHH evaluiert
„KADOIN unterstützt die Arbeit der Gesundheitsämter und erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, ihre Kontaktpersonen eigenverantwortlich und zeitlich unabhängig von den Behörden zu dokumentieren und Familie, Freunde und Mitbürgerinnen und Mitbürger zu schützen“, erklärt Dr. Beutel. Die Anwendung wird in unterschiedlichen Sprachen angeboten, so dass Sprachbarrieren minimiert werden. Von Oktober an wird die Software an der MHH evaluiert und kann von Studierenden und Interessierten erprobt werden. In einem weiteren Schritt werden Idee und Erkenntnisse aus der Erprobungsphase den Gesundheitsämtern vorgestellt, um auf ihre Bedürfnisse noch besser eingehen zu können.