Biomarker identifiziert, der klinischen Verlauf einer Hepatitis-B-Infektion vorhersagen könnte
In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Kooperationsprojekt zwischen dem Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt/M. und dem Paul-Ehrlich-Institut haben Forscherinnen und Forscher vier benachbarte Punktmutationen (Vierpunktmutation) im Genom des Hepatitis-B-Virus identifiziert, die in der untersuchten Kohorte mit einer sehr guten Prognose für den klinischen Verlauf der chronischen Hepatitis-B-Infektion assoziiert waren. Diese Vierpunktmutation könnte als Biomarker für die Einordnung der Erkrankung und als Hilfestellung für das weitere therapeutische Vorgehen bei Patientinnen und Patienten mit einer Hepatitis-B-Infektion dienen. Über die Ergebnisse berichtet JCI Insight in seiner Online-Ausgabe vom 15. Oktober 2020.
Die chronische Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) betrifft weltweit etwa 257 Millionen Menschen und ist eine der Hauptursachen für schwere Lebererkrankungen und Leberkrebs. Das individuelle Risiko für ein Fortschreiten der Lebererkrankung beziehungsweise die Entwicklung von Leberkrebs ist variabel und hängt sowohl von den Eigenschaften des Virus als auch von Faktoren bei der infizierten Person ab. Bei den aktuell verfügbaren antiviralen Behandlungsstrategien handelt es sich um kostenintensive Langzeittherapien, die mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen können. Aus dem Grund sind prognostische Marker wichtig, um die Zielgruppe zu identifizieren, die von der Behandlung besonders profitieren.
Patientinnen und Patienten, die die geforderten Behandlungskriterien nicht erfüllen, müssen medizinisch nachverfolgt werden, da bei ihnen weiterhin ein erhöhtes Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung und die Entwicklung von Leberkrebs besteht. Wünschenswert sind daher prognostische Biomarker, die Auskunft über die weitere klinische Entwicklung geben. Zu den etablierten Biomarkern gehören die Viruslast (Menge an Virus-DNA im Blut) oder die Bestimmung der Menge des Oberflächenantigens des Virus im Blut. Inzwischen wurden aber durchaus auch weitere Biomarker-Kandidaten ausgemacht, bei denen es sich teilweise um ein oder mehrere (benachbarte) Punktmutationen im Virusgenom handelt. Sie haben jedoch bisher nicht Einzug in den klinischen Alltag gehalten. Darunter sind Genpolymorphismen und Mutationen wie beispielsweise die Doppelmutation A1762T/G1764A (BCP-Doppelpunktmutation), die häufigste Mutation im basalen Kernpromoter (BCP, basal core promoter), die in einigen Studien mit Krankheitsverlauf und Therapieansprechen assoziiert wurde.
Forscherinnen und Forscher um Dr. Kai-Henrik Peiffer, Oberarzt der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Frankfurt, Prof. Stefan Zeuzem, Dekan der Medizinischen Fakultät der Frankfurter Goethe-Universität und Direktor der Medizinischen Klink 1 des Universitätsklinikums Frankfurt, und Prof. Eberhard Hildt, Leiter der Abteilung Virologie des Paul-Ehrlich-Instituts, haben sich in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Italien um die Identifikation von Biomarkern für die klinische Prognose einer chronischen Hepatitis-B-Infektion bemüht. Hierzu wurden bestimmte Regionen des Hepatitis-B-Virusgenoms in Serumproben von 560 inaktiven HBV-Trägern in Europa sequenziert. Inaktive HBV-Träger tragen zwar das Virus, zeigen aber keine Zeichen einer Leberentzündung oder einer relevanten Leberschädigung. In Blutproben dieser Patientinnen und Patienten identifizierte das Forscherteam erstmalig eine offenbar weit verbreitete und prognostisch relevante Vierpunktmutation (GCAC1809-1812TTCT) – vier Punktmutationen benachbarter Nukleinbasen – in einem bestimmten Virusgenombereich (Kozak-Sequenz). Diese Mutation fand sich in 42 Prozent der Proben und war eng assoziiert sowohl mit der BCP-Doppelpunktmutation als auch – die gute Nachricht für die Betroffenen – mit niedrigen Spiegeln der HBV-DNA im Blut. In-vitro-Untersuchungen bestätigten diesen positiven Zusammenhang. Darüber hinaus fand sich bei keinem von 125 Patientinnen und Patienten mit einer HBV-bedingten Leberzirrhose (fortgeschrittener Leberumbau) diese Vierpunktmutation.
Aus diesen und weiteren Analysen folgerte das Forschungsteam, dass es eine enge Assoziation zwischen der Vierpunktmutation und einem inaktiven Trägerstatus (nicht aktive Hepatitis-B-Infektion) gibt. Für die beschriebene BCP-Doppelpunktmutation wurde dagegen eine starke Korrelation mit dem Auftreten einer Leberzirrhose festgestellt, allerdings nur beim Fehlen der Vierpunktmutation. Die Vierpunktmutation liegt demnach häufig bei inaktiven HBV-Trägerinnen und -Trägern vor und scheint die BCP-Doppelpunktmutation, die mit schlechterer Prognose einhergeht, zu kompensieren.
„Unsere Daten weisen darauf hin, dass die von uns beschriebene Vierpunktmutation ein zuverlässiger Biomarker für die Prognose eines günstigen klinischen Verlaufs einer Hepatitis-B-Infektion sein könnte“
, erläutert Dr. Kai-Henrik Peiffer die Bedeutung der Ergebnisse.
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