Bei Herzinfarkt-Verdacht und Herznotfällen keine Scheu vor Notruf 112
Herzspezialisten warnen in aktueller Corona-Welle: Bei Verdacht auf Herzinfarkt und anderen Herznotfällen niemals zögern, sondern sofort Notruf 112 absetzen. Kliniken sind trotz Pandemie für Notfallversorgung gerüstet
Notfallmediziner und Herzspezialisten befürchten angesichts der derzeit hohen Zahl an Coronavirus-Infektionen, dass Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt und anderen notfallartigen Symptomen von den Kliniken fernbleiben könnten, wie es in hohem Maße während der ersten Corona-Welle im Frühjahr zu beobachten war. „Die aktuelle Corona-Welle darf nicht erneut dazu führen, dass Menschen bei Verdacht auf Herzinfarkt oder bei anderen notfallartigen Symptomen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder wegen befürchteter Kapazitätsengpässe in den Kliniken den lebenswichtigen Notruf 112 oder den Weg in die Notfallambulanz scheuen“, warnt der Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Nach Angaben des Deutschen Herzberichts sterben bundesweit rund 124.000 Menschen an koronarer Herzerkrankung, davon über 46.2000 am Herzinfarkt. Etwa 30 Prozent der Herzinfarktpatienten versterben außerhalb der Klinik, auch weil sie zu spät oder gar nicht den Notarzt (112) alarmieren.
Erster Corona-Lockdown: 31 Prozent weniger Herzinfarkte in Kliniken
In Corona-Zeiten könnte sich dieser im Herznotfall fatale Effekt von Entscheidungsverzögerungen noch verstärken. Darauf deuten Ergebnisse einer Auswertung von Krankenhausausfällen von 27 Millionen AOK-Versicherten hin (1). Untersucht wurde unter anderem die stationäre Versorgung akuter Herzinfarkte und anderer dringlicher Herzgefäßkomplikationen wie akutes Koronarsyndrom (ACS) während des ersten Corona-Lockdowns im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Alarmierend ist, dass aufgrund des ersten Lockdowns 31 Prozent weniger akute Herzinfarkte als im Vorjahreszeitraum in stationäre Behandlung kamen“, berichtet Voigtländer, der Kardiologe und Intensivmediziner am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt am Main ist. Erweiterte man das Spektrum auf Durchblutungsstörungen des Herzens (Ischämien) höherer Dringlichkeit wie Hauptstammstenosen, instabile Angina pectoris, dekompensierte Herzschwäche, kardiogener Schock und Herzinfarkt, kam man sogar auf 42 Prozent weniger stationäre Behandlungen. „Ein solches Szenario für die Betroffenen mit anzunehmenden schweren lebensbedrohlichen Komplikationen bis hin zum vorzeitigen Tod müssen wir aktuell vermeiden. Herzinfarkt, aber auch andere Herznotfälle wie eine akut dekompensierte Herzinsuffizienz oder lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen sind keine aufschiebbaren Krankheitsfälle, sondern unterliegen selbstverständlich weiterhin der Notfallversorgung, die auch während dieser zweiten Corona-Welle gewährleistet ist.“
Gefahr durch zweite Corona-Welle: Notfallpatienten zögern wieder mehr vor der 112
Zu langes Warten bei Herzinfarkt-Verdacht ist in allen Altersgruppen fatal. „Die Gefahr für dieses fatale Verzögerungsverhalten – übrigens auch bei jüngeren Notfallpatienten – dürfte angesichts der zweiten Corona-Welle wieder deutlich wachsen“, warnt der Herzstiftungs-Vorstand Voigtländer. Die Deutsche Herzstiftung appelliert deshalb an Herzpatienten und Menschen mit Vorbelastung für Herzinfarkt und andere Herzkrankheiten, bei Verdacht auf Herzinfarkt sofort den Notruf 112 abzusetzen. „Der Notarzt ist hier so wichtig, weil der Herzinfarkt jederzeit in Herzkammerflimmern übergehen und der Patient in wenigen Minuten am plötzlichen Herztod versterben kann. Ebenso kann durch den Infarkt ein größerer Teil des Herzmuskels irreparabel zerstört werden und der Patient entwickelt dadurch akut oder auch langfristig eine Herzschwäche“, betont Voigtländer. „Beim Herzinfarkt zählt deshalb jede Minute nach dem Prinzip: Zeit ist Herzmuskel.“
Herzinfarkt-Verdacht: auf diese Warnzeichen achten!
Typische Herzinfarkt-Symptome sind insbesondere plötzlich einsetzende starke Schmerzen, die länger als fünf Minuten anhalten und sich in Ruhe nicht bessern (häufig: kalter Schweiß, Blässe, Übelkeit, Atemnot, Unruhe und Angst). Die Schmerzen sind überwiegend im Brustkorb, häufig hinter dem Brustbein, bisweilen auch nur im Rücken zwischen den Schulterblättern oder im Oberbauch. Die Schmerzen können in den Arm, den Hals oder Kiefer ausstrahlen.
Bei diesen Warnzeichen für Herzerkrankungen sofort zum Arzt!
Generell sollten Betroffene bei den folgenden Warnzeichen umgehend zum Internisten oder Kardiologen. Sie können untersuchen, ob z. B. eine Herzrhythmusstörung als Folge einer koronaren Herzkrankheit (die Grunderkrankung des Herzinfarkts), oder anderer Herzerkrankungen wie Herzklappenerkrankungen oder eine Herzschwäche vorliegt. Unbehandelt können diese Erkrankungen zu schwerwiegenden, auch notfallmäßigen, Komplikationen führen:
- Schmerzen oder ein unangenehmes Engegefühl im Brustkorb (Angina pectoris) und/oder Luftnot
- Herzrasen mit Einschränkung der Belastbarkeit
- Hartnäckiges Herzstolpern
- Kurze Bewusstlosigkeiten (Synkopen)
- Schwindelanfälle, drohende Bewusstlosigkeiten
Diese Beschwerden können Warnzeichen auch für mehrere Herzerkrankungen zugleich sein. „Angina pectoris-Beschwerden können Vorboten für eine fortgeschrittene Herzkranzgefäßverengung bis hin zum Herzinfarkt sein, aber auch Anzeichen eines operationsbedürftigen Herzklappenfehlers“, erläutert Voigtländer. Auch Atemnot und Leistungsschwäche sind, wie der Herzspezialist betont, typische Symptome für eine Herzschwäche oder eine andere Herzproblematik wie Herzklappenerkrankung oder aber Vorhofflimmern. Kurze Synkopen können ein harmloses neurologisches Problem, aber auch Vorboten einer bösartigen Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern) sein. „Deshalb sollte man bei diesen Symptomen einen Facharzt aufsuchen“, rät der Kardiologe.
Unbemerktes Vorhofflimmern und Schlaganfallgefahr
Bei etwa 50 % der über 1,8 Millionen Betroffenen mit Vorhofflimmern macht sich die Herzrhythmusstörung mit spürbaren Beschwerden wie Herzstolpern und Herzschlag bis zum Hals, Druckgefühl im Brustkorb, Angst, Luftnot, Schwindelgefühl und Leistungsschwäche bemerkbar. Bei Vorhofflimmern ist meistens das Herz völlig außer Takt, es schlägt chaotisch mit einem Puls von bis zu 160 Schlägen pro Minute, selten sogar schneller. Ist der Puls unregelmäßig oder liegt er in Ruhe über 100 Schlägen pro Minute, sollte man den Hausarzt oder Internisten aufsuchen. Bei Vorhofflimmern können schon in wenigen Stunden in den Herzvorhöfen Blutgerinnsel entstehen, die vom Blutstrom mitgeschleppt Arterien verschließen und je nach betroffenem Areal einen Schlaganfall verursachen. Die typischen Warnzeichen für einen Schlaganfall, bei denen auch sofort der Notarzt (112) zu alarmieren ist, sind hier abrufbar.
Infos zum Coronavirus bietet die Herzstiftung unter: Coronavirus oder als bestellbaren Ratgeber-Flyer „Corona & Herz“, anzufordern unter Tel. 069 955128-400.
(1) Quelle WidO-Report: Günster, C, Drogan D, Hentschker C, Klauber J, Malzahn J, Schillinger G, Mostert C. WidO-Report: Entwicklung der Krankenhausfallzahlen während des Coronavirus-Lockdowns. Nach ICD-10-Diagnosekapiteln und ausgewählten Behandlungsanlässen, Berlin 2020