DDG gibt Praxen, Kliniken und Apotheken eine Anleitung für die sichere Verfügbarkeit von oGTT-Glukoselösungen an die Hand
Das Screening auf Gestationsdiabetes (GDM) gehört seit 2012 zu den Mutterschaftsrichtlinien. Für eine Diagnose des GDM – aber auch in der allgemeinen Diabetesdiagnostik – greifen Ärztinnen und Ärzte auf den oralen Glukosetoleranztest (oGTT) zurück. Glukose-Fertiglösungen werden jedoch von Krankenkassen nicht mehr erstattet und sind ab dem kommenden Jahr auch nicht mehr verfügbar. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert diese Entwicklung. Denn nun müssen Praxen und Kliniken die Lösung selbst anmischen, wodurch das Risiko für Ungenauigkeiten und Verunreinigungen steige. Dies kann zu falschen Testergebnissen führen. In einem aktuellen Positionspapier beschreiben DDG-Experten die aktuelle Situation und wie Apotheken standardisiert eine Glukoselösung zur Verfügung stellen können. Sie fordern zudem die kassenärztlichen Vereinigungen und den GKV-Spitzenverband erneut dazu auf, solch eine Fertiglösung im Sinne der Patientinnen und Patienten künftig flächendeckend zu erstatten.1
Bei dem in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen zweistufigen Testverfahren zum Gestationsdiabetes (GDM) trinkt die werdende Mutter im Zeitraum zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche eine Lösung mit 50 Gramm Glukose (GCT). Werden erhöhte Blutzuckerwerte gemessen, folgt ein erneuter Nüchtern-Test mit 75 Gramm Glukose (oGTT). „Der oGTT ist auch für die Diabetesdiagnostik allgemein von großer Bedeutung und wird daher sehr häufig angewendet“, erklärt Professor Dr. rer. nat. Lutz Heinemann, Vorsitzender der gemeinsamen Kommission der DDG und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) „Labordiagnostik in der Diabetologie“. Es sei daher für die zuverlässige Identifizierung von Patienten mit Diabetes besonders wichtig, auf sichere Glukoselösungen zurückgreifen zu können. Doch dadurch, dass Krankenkassen die von der pharmazeutischen Industrie angeboten Fertiglösungen nicht mehr erstatten, seien diese ab dem kommenden Jahr auch nicht mehr erhältlich. Klinken und Praxen müssen die Glukoselösung nun manuell zubereiten. „In Anbetracht der stetig steigenden Diabeteserkrankungen – auch bei Schwangeren – ist dies ein fatales Signal“, kritisiert Heinemann.
Seit Jahren weist die DDG auf den durch die Selbstanmischung erhöhten organisatorischen Aufwand für Behandelnde sowie insbesondere auf gesundheitliche Risiken für die Patientinnen und ihre ungeborenen Kinder hin.2 Zudem sind bislang weder in den GDM-Leitlinien der DDG noch in den Mutterschaftsrichtlinien Details zu Herstellung der dabei zu verwendenden Glukoselösung genannt. Auch in der internationalen Literatur und Leitlinien gibt es keine konkreten Aussagen dazu. „In dem trivial anmutenden Prozess der Glukoseanmischung verbergen sich viele Fallstricke, die zu einem ungenauen Ergebnis und damit zu einer folgenschweren Fehldiagnose beitragen können“, Heinemann.
So verwenden viele bei der Anmischung reine Glukose anstatt des besser löslichen Glukose-Monohydrats. Trotz aller Mühen und optimaler Bedingungen kommt es immer wieder dazu, dass ein Rest Glukose im Behältnis verbleibt, der sich nicht auflöst und so zu einer falsch-negativen Interpretation des Testes führen kann. Zudem sind nicht immer optimal verträgliche Hilfsstoffe beigesetzt. Auch stehen in Praxen häufig keine Räume zu Verfügung, die den Hygieneanforderungen entsprechen, was wiederum zu Verunreinigungen führen kann. Schließlich muss die zugegebene Flüssigkeit präzise abgemessen werden, um das Mischverhältnis nicht zu verfälschen. Hierzu seien genaue Kenntnisse und geeignete Apparaturen notwendig. „Nicht zu unterschätzen ist auch der bereits bestehende Zeitdruck, unter dem die Behandler jetzt schon stehen – da sind Ungenauigkeiten vorprogrammiert“, warnt Apotheker Manfred Krüger, Mitglied der Kommission Apotheker in der Diabetologie (BAK/DDG).
Die DDG verweist auch auf die rechtlichen Probleme, die bei einer falschen Testung erfolgen können: „Gemäß Produkthaftungsgesetz können behandelnde Ärztinnen und Ärzte dafür haften, wenn Probleme bei den in der Praxis hergestellten Glukoselösungen auftreten“, betont Krüger. „Rechtlich gelten sie in diesen Fällen als Hersteller eines Arzneimittels.“
Umso wichtiger ist es, definierte Standards in der Herstellung der Glukoselösung festzulegen und Behandlern zuverlässige Leitfäden an die Hand zu geben. Einen solchen haben nun die DDG Kommissionen „Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG & DGKL“ und „Apotheker in der Diabetologie BAK/DDG“ in ihrem aktuellen Positionspapier veröffentlicht. Sie haben dafür die Standardzulassungsmonographie aktualisiert, sodass eine standardisierte Herstellung der Glukoselösung nach der neuen Vorschrift NRF 13.8 bundesweit möglich ist. Sie ist auch im Rezepturenfinder in der DAC/NRF-Plattform für Ärzte kostenlos abrufbar: https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=arzt
Die DDG bekräftigt erneut ihre Forderung an die kassenärztlichen Vereinigungen und den GKV-Spitzenverband, die Kosten für Fertiglösungen zu übernehmen. Idealerweise sollte es eine bundeseinheitliche Regelung zur Erstattung durch alle Krankenkassen geben. „Es ist skandalös, dass die Kostenträger für eine Ersparnis von gerade einmal vier Euro pro Patient durch die Selbstanmischung die diagnostische Sicherheit und damit die Gesundheit der Patientinnen und Patienten aufs Spiel setzen“, resümiert DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer.