Volkskrankheit Bluthochdruck schädigt auch das Gehirn
Gang und Gedächtnis früher beeinträchtigt als gedacht
Auch junge Patienten sollten schon bei ersten Anzeichen für Bluthochdruck zunächst mit Lebensstiländerungen reagieren und – wenn diese keinen Erfolg zeigen – gemeinsam mit ihrem Arzt die Einnahme blutdrucksenkender Medikamente erwägen. Denn eine arterielle Hypertonie, wie Mediziner den Bluthochdruck nennen, schädigt in vielen Fällen die Organe, lange bevor Patienten ihre Erkrankung bemerken. Zu den geschädigten Organen gehört auch das Gehirn. Einer aktuellen US-Studie (1) zufolge zeigen sichdie negativen Auswirkungen von seit der Jugend erhöhten Blutdruckwerten in einem beeinträchtigten Gangbild und reduzierter kognitiver Leistung wie etwa Vergesslichkeit. Vor diesem Hintergrund weisen Experten der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) darauf hin, dass auch junge Erwachsene ihren Blutdruck regelmäßig selbst messen oder zumindest vom Hausarzt oder Apotheker überprüfen lassen sollten.
Gefäßschädigungen durch Bluthochdruck betreffen neben den Organen und Gefäßen des Körpers auch die Gehirnfunktionen. Dazu untersuchten US-Wissenschaftler Teilnehmer einer epidemiologischen Langzeituntersuchung. Die CARDIA-Studie (Coronary Artery Risk Development in Young Adults) erforscht die Entwicklung von Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit bei jungen Erwachsenen. In diese Studie wurden zwischen 1985 und 1986 mehr als 5000Teilnehmer zwischen 18 und 30 Jahren aufgenommen und über 30 Jahre nachverfolgt. Dabei erfolgten im Laufe der Beobachtungszeit mehrfach klinische Untersuchungen, bei denen unter anderem die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte bestimmt wurden. Denn Bluthochdruck gilt als ein Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit. Die Forscher testeten zudem die kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnisleistung oder Aufmerksamkeit von 191 Teilnehmern und maßen ihre Gehgeschwindigkeit, Schrittlänge und Gangvariabilität. 144 Studienteilnehmer erhielten zusätzlich eine MRT-Untersuchung ihres Gehirns.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Patienten, deren Blutdruckwerte über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg – also bereits seit ihrer Jugend – erhöht waren, bei den kognitiven Fähigkeiten schlechter abschnitten. Zudem zeigten diese auch bei der Ganganalyse eine langsamere Gehgeschwindigkeit, kleinere Schrittlänge und höhere Gangvariabilität. Die Autoren der Studie führen dies auf Schäden an bestimmten Gefäßstrukturen des Gehirns, sogenannte White Matter Lessions, zurück. Diese zeigten sich vor allem in den MRT-Scans der Patienten mit einer auffälligen Beeinträchtigung des Gehens. „Diese Studie zeigt, dass Bluthochdruck, der im frühen Erwachsenenalter beginnt und über Jahre unbehandelt bleibt, erhebliche Schäden an den Nervenverbindungen des Gehirns nach sich zieht“, sagt Professor Dr. Sebastian M. Schellong, Vorsitzender der DGIM 2020/2021 aus Dresden.
Der Gefäßmediziner weist vor diesem Hintergrund darauf hin, wie wichtig es ist, dass auch junge Menschen Warnzeichen für Bluthochdruck ernstnehmen. „Bluthochdruck ist zwar eine Volkskrankheit in Deutschland, bleibt aber zu oft unentdeckt oder unbehandelt“, so Schellong. Eine arterielle Hypertonie zeige sich oft erst im fortgeschrittenen Alter, vorwiegend ab dem 50. Lebensjahr, etwa in Form von Herzschwäche, koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfällen oder auch Niereninsuffizienzen. Daher sollten Betroffene bei ersten Warnzeichen für Bluthochdruck die Ursachen frühzeitig mit einem Arzt abklären, rät der Experte.
Literatur
(1) Mahinrad S et al. Cumulative Blood Pressure Exposure During Young Adulthood and Mobility and Cognitive Function in Midlife. Circulation 2020; 141: 712–724