Erstes vollständig implantierbares Cochlea-Implantat (TICI) in Deutschland eingesetzt
Es integriert die internen und externen Komponenten eines Cochlea-Implantats in ein System und wird unsichtbar unter die Haut eingesetzt: Erstmals in Deutschland wurde ein vollständig implantierbares Cochlea-Implantat (Totally Implantable Cochlear Implant – kurz TICI) in der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des LMU Klinikums München eingesetzt. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie implantierte Prof. Dr. Joachim Müller, Leiter des Schwerpunkts Otologie und Cochlea Implantate, Ende November das neuartige TICI bei den ersten zwei Patienten, die unter hochgradigem Hörverlust leiden. Die Studie wird als europäisches Kooperationsprojekt unter anderem zusammen mit der Universität Lüttich in Belgien durchgeführt.
Cochlea Implantate sind Hörhilfen, die es bei Taubheit oder hochgradiger Schwerhörigkeit, Betroffenen ermöglichen, Geräusche zu erkennen, Sprache zu verstehen oder Musik zu hören, wenn ein Hörgerät nicht mehr hilft. Dazu spielen beim „klassischen“ Cochlea Implantat (CI) interne und externe Systemkomponenten zusammen: Ein Mikrofon nimmt den Schall auf, im Sprachprozessor, der auch die Energieversorgung bereitstellt und hinter dem Ohr getragen wird, wird das akustische Signal in elektrische Pulse umgewandelt. Diese werden über eine Sendespule drahtlos durch die Haut zum eigentlichen Implantat übertragen. Dort werden sie dekodiert, über die Elektrode in der Cochlea zum Hörnerv geleitet, und als Hörnervenerregung der Hörbahn und dem Gehirn zur Weiterverarbeitung präsentiert.
Das neuartige TICI integriert alle internen und externen Komponenten eines Cochlea-Implantats – einschließlich Audioprozessor, Mikrofon und Akku – in ein System und wird unsichtbar unter die Haut eingesetzt. In Zukunft soll das TICI den Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, rund um die Uhr und in allen Lebenslagen zu hören, ganz ohne externe Komponenten.
Prof. Dr. med. Joachim Müller, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am LMU Klinikum München und international anerkannter Experte für Cochlea-Implantate sagt: „Schon durch Cochlea-Implantate konnten wir seit rund 30 Jahren das Leben von hochgradig schwerhörigen Menschen und taub geborenen Kindern enorm erleichtern. Doch einen Wunsch von Betroffenen hören wir in unserem Klinik-Alltag immer wieder: Die Implantate sollen am besten nicht oder nur wenig sichtbar sein, denn die Stigmatisierung durch die Gesellschaft ist wohl für viele hörbehinderte Menschen nach wie vor ein Thema und in vielen Situationen ein schweres Los.“
Für die Patient*innen unterscheidet sich der mit nur geringen Risiken einhergehende Eingriff nicht wesentlich von einer normalen CI-Operation. Er dauert etwas länger, weil zusätzliche Komponenten implantiert werden müssen. Wie nach einer klassischen CI-Operation erfolgt nach etwa vier bis sechs Wochen die „Inbetriebnahme“ des Systems. Das interdisziplinäre CI-Team am LMU Klinikum begleitet die Patient*innen unter anderem mit elektrophysiologischen Anpassungen an die individuelle Hörsituation und mit einem postoperativen Hörtraining. Im Rahmen der Studie finden weitere Untersuchungen statt.
„Wir danken unseren Patient*innen für das entgegengebrachte Vertrauen und den vielen CI-Trägern für ihren Einsatz, der im Rahmen verschiedenster Studien den Fortschritt in der CI-Forschung ermöglicht hat“, sagt Prof. Müller. Weitere Operationen sind im europäischen Verbund in München und Lüttich in den nächsten Monaten geplant. Eine „Marktreife“ sowie eine allgemeine Zulassung bis zur offiziellen Verfügbarkeit wird noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.