Depression
Besonders bei jungen Patienten: Risikofaktoren für riskantes und selbstverletzendes Verhalten abklären vor Behandlung mit Gabapentinoiden
Original Titel:
Associations between gabapentinoids and suicidal behaviour, unintentional overdoses, injuries, road traffic incidents, and violent crime: population based cohort study in Sweden
MedWiss – Diese schwedische Untersuchung demonstrierte einen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Gabapentoiden bei Nervenschmerzen, Epilepsie oder Angsterkrankungen und einem erhöhtem Risiko für selbstgefährdendes Verhalten. Speziell bei jüngeren Patienten sollte demnach eine Behandlung mit Blick auf Risikofaktoren wie Substanzmissbrauch oder depressive Symptome überdacht werden.
Gabapentinoide haben antikonvulsive, schmerz- und angstlösende Effekte. Die zwei bekanntesten Wirkstoffe dieser Klasse, Gabapentin und Pregabalin, sind zur Behandlung von Epilepsie und Nervenschmerzen (neuropathischen Schmerzerkrankungen) zugelassen. Pregabalin ist auch zur Behandlung von Angststörungen zugelassen. Kritisch gesehen wird aktuell, dass diese Wirkstoffe speziell in den USA sehr oft verschrieben werden – zur Schmerzlinderung eventuell zu oft. Dabei sollten mögliche Nebenwirkungen solcher Behandlungen nicht unterschätzt werden. Neben Schwindel, Schläfrigkeit, Gleichgewichtsproblemen und Sehproblemen wurden auch Koordinationsprobleme, Einschränkungen in der Denkleistung und ein erhöhtes Suizidrisiko berichtet. Ob letztere aber tatsächlich gehäuft auftreten und mit der Behandlung in Zusammenhang stehen, war bisher nicht klar und sollte in dieser Studie untersucht werden.
Risiken und Nebenwirkungen: Wie riskant sind die Wirkstoffe Gabapentinoide?
Dazu ermittelten Forscher den Zusammenhang zwischen Gabapentinoiden und möglichen Anzeichen für Behandlungseffekte, die die Koordination beeinträchtigen. Dazu zählten Verletzungen an Kopf und Körper, Straßenverkehrsunfälle oder andere Probleme im Straßenverkehr. Ebenso wurden Anzeichen für Beeinträchtigungen der geistigen Gesundheit ermittelt. Darunter fielen suizidales Verhalten, nicht geplante Überdosierungen und kriminelles Verhalten. Untersucht wurde diese Frage mittels einer Datenbankanalyse in Schweden. Die Daten aus Datenbanken zu medizinischen Verschreibungen, Todesfällen und zu Straftaten wurden über den Zeitraum von 2006 bis 2013 hinweg analysiert. Diese Ergebnisse wurden für die Menschen in der Zeit vor einer Verschreibung von Gabapentoiden und in der Zeit während dieser Art der Behandlung verglichen.
Vergleich von riskantem Verhalten vor und nach Behandlung
191 973 Menschen mit Verschreibungen von Gabapentinoiden (entweder Pregabalin oder Gabapentin) wurden gefunden und ihre Daten analysiert. Der erste Blick auf diese Analyse klingt dramatisch: In der untersuchten Zeit waren 10 026 Fälle (5,2 %) von suizidalem Verhalten verzeichnet. 17 144 Menschen (8,9 %) nahmen ungeplant eine Überdosis ein. 12 070 (6,3 %) der analysierten Patienten hatten einen Verkehrsunfall oder begingen ein Verkehrsdelikt. 70 522 (36,7 %) der Menschen erlitten Verletzungen an Kopf oder Körper. 7 984 (4,1 %) wurden wegen gewaltsamer Vergehen verhaftet. Aber wie häufig standen solche Vorfälle mit der Behandlung in Zusammenhang?
Beim Vergleich der Ereignisse vor Behandlungsbeginn und nach Behandlungsbeginn zeigte sich ein erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten und entsprechende Todesfälle. Auch weitere Anzeichen für ernste Folgen der Medikation konnten ermittelt werden: Ungeplante Überdosierungen von Medikamenten, Verletzungen und Verkehrsdelikte traten häufiger mit Gabapentoiden auf als ohne. Einen klaren Zusammenhang mit kriminellem Verhalten sahen die Forscher dagegen nicht.
Die Experten betrachteten genauer, wer häufiger von solchen Risiken betroffen war: Demnach schien vor allem die Behandlung mit Pregabalin, nicht aber mit Gabapentin, kritisch zu sein. Außerdem waren besonders junge Anwender betroffen: Sämtliche untersuchten Risiken waren vor allem bei Menschen zwischen 15 und 24 Jahren erhöht. Gefährdungen aufgrund möglicherweise riskanter oder impulsiver Verhaltensweisen zeigten sich auch in weiteren Altersgruppen häufiger während der Behandlung. Entwarnung gab es lediglich für Menschen in höherem Alter: Ab 55 Jahren schien sich die Medikation nicht nachteilig auf derartige Risiken auszuwirken.
Risikofaktoren besonders bei jungen Patienten im Blick halten vor der Medikamentenwahl
Somit demonstrierte diese Untersuchung einen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Gabapentinoiden (eher mit Pregabalin als mit Gabapentin) und einem erhöhtem Risiko für selbstgefährdendes Verhalten. Dieses Verhalten konnte sowohl geplant (Suizidversuche) als auch ungeplant (Unfälle) sein, also auch durch Koordinationsprobleme hervorgerufen sein. Diese Risiken betrafen vor allem jüngere Patienten. Die Behandlung dieser Patientengruppe sollte entsprechend überdacht und mit Blick auf eventuelle Anzeichen für riskantes oder selbstverletzendes Verhalten überwacht werden – ganz besonders, wenn bereits andere Risikofaktoren wie Substanzmissbrauch oder depressive Symptome bestehen.
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