COVID-19-Risikogruppe: Weitere Impfungen können schweren Verlauf ebenfalls positiv beeinflussen
Während der Corona-Impfstoff deutschlandweit verabreicht wird, dürfen andere Schutzmaßnahmen nicht vernachlässigt werden: Vor allem Grippe, Pneumokokken, Keuchhusten und Gürtelrose können für Senioren gefährlich werden und auch eine mögliche Corona-Infektion verschlimmern. DGG-Präsident Professor Hans Jürgen Heppner, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am HELIOS Klinikum Schwelm und Lehrstuhlinhaber für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke, und Dr. Anja Kwetkat, Direktorin der Klinik für Geriatrie am Universitätsklinikum Jena und Leiterin der DGG-Arbeitsgruppe Impfen, erläutern die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Menschen über 60 Jahre.
„Corona zeigt uns eindrücklich, wie wichtig Impfungen sind – vor allem für ältere Menschen. Denn ein höheres Lebensalter führt zu einer höheren Infektanfälligkeit mit oft komplizierteren Verläufen“, erklärt Professor Hans Jürgen Heppner. Das gilt insbesondere für die Influenza (Grippe): Sie war, bis Corona kam, unter den Infektionskrankheiten die Erkrankung mit der höchsten bevölkerungsbezogenen Mortalität – rund 90 Prozent der Todesfälle sind Patienten über 60 Jahre. Die große Herausforderung für die Grippesaison wird zukünftig die Abgrenzung zu COVID-19 sein. Eine Grippeimpfung empfiehlt die STIKO im Herbst für Menschen ab dem 60. Lebensjahr – mit einem 4-fach-Impfstoff gegen insgesamt vier bekannte Virusstämme.
Da die Grippesaison in der Regel bis in den März hinein reicht, lohnt es sich trotzdem, die Impfung jetzt noch nachzuholen, falls noch nicht geschehen. Wer allerdings bereits einen Impftermin für Corona hat, sollte einen Abstand von zwei Wochen zwischen den beiden Schutzmaßnahmen einhalten. „Für die Saison 2021/2022 wird in Deutschland voraussichtlich ein Hochdosis-4-fach-Impfstoff zur Verfügung stehen. Dieser verstärkt zum Beispiel die Immunwirkung noch weiter und sorgt für eine breitere Immunantwort unter Pflegeheimbewohnern“, sagt Prof. Dr. Hans Jürgen Heppner.
Schutz gegen andere Atemwegserkrankungen: Pneumokokken- und Pertussis-Impfung
Einer der häufigsten Erreger einer ambulant erworbenen Lungenentzündung bei alten Menschen sind Pneumokokken. Ähnlich wie bei einer Influenza besteht auch bei einer Infektion mit SARS CoV-2 das Risiko einer bakteriellen Superinfektion. Für Senioren ab 60 Jahren, die keiner Risikogruppe angehören, empfiehlt die STIKO eine einmalige Standardimpfung gegen Pneumokokken. „Ob dann eine Wiederholungsimpfung nach frühestens sechs Jahren Sinn macht, ist je nach gesundheitlicher Situation des Patienten, etwa bei Vorerkrankungen, eine individuelle Indikationsentscheidung des Arztes bzw. der Ärztin“, erklärt Dr. Anja Kwetkat. Da derzeit für den Pneumokokken-Impfstoff ein Lieferengpass besteht, empfiehlt sie betroffenen Ärzten und Patienten, einen engen Kontakt zu ihrer Apotheke zu halten, um über Verfügbarkeiten informiert zu werden.
Kwetkat hält auch die Impfung gegen Pertussis (Keuchhusten) bei Senioren für sinnvoll, die von der STIKO einmalig mit der nächsten fälligen Tetanus-/Diphtherie-Impfung empfohlen wird. So kann auch hier für die COVID-19-Risikogruppen eine weitere Atemwegsinfektion verhindert werden. „Wenn sich ein Achtzigjähriger mit Pertussis ansteckt, dann ist das besonders heftig für ihn. Durch die Beeinträchtigung kann eine Negativspirale in Gang gesetzt werden, die bis hin zur Mangelernährung reicht“, erklärt Kwetkat. In Deutschland ist eine Impfung gegen Pertussis nur in Kombination mit einer Tetanus- und Diphtherie-Impfung möglich – deren Auffrischung empfiehlt die STIKO alle zehn Jahre.
Auch Herpes zoster (Gürtelrose) nicht vergessen!
Während Corona-bedingt derzeit vor allem Atemwegserkrankungen im Fokus stehen, sollte ein weiterer wichtiger Schutz nicht vernachlässigt werden: Die von der STIKO empfohlene einmalige Standardimpfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose) ab dem 60. Lebensjahr. Denn eine Gürtelrose geht häufig einher mit chronischen Schmerzen, was für die Betroffenen zu einem erheblichen Leidensdruck und stark eingeschränkter Lebensqualität führt. Studien zeigen sogar erhöhte Suizidraten bei Betroffenen.
„Wenn wir uns alle gut vor Corona schützen, gehen logischerweise auch andere Atemwegsinfektionen zurück. Die Gürtelrose fällt da raus, denn sie ist die Reaktivierung einer Kinderkrankheit – den Windpocken. Die Infektionszahlen für Herpes zoster werden erwartungsgemäß also genauso hoch bleiben. Schützen kann man sich dagegen nur mit dieser Impfung“, weiß Dr. Anja Kwetkat.
Impfstatus checken lassen beim Hausarzt
Insbesondere in Corona-Zeiten gilt daher für Senioren: Nicht nur das aktuelle Impfangebot gegen COVID-19 wahrnehmen, sondern auch den eigenen Impfstatus bei Influenza, Pneumokokken, Pertussis/Diphtherie/Tetanus und Herpes zoster checken! „Dafür eignet sich gut der nächste Hausarztbesuch: Einfach den Impfpass mitbringen, auf Lücken überprüfen lassen und fehlende Impfungen möglichst nachholen!“, rät DGG-Präsident Heppner.
Kwetkat ergänzt: „Unbedingt den Hausarzt auch gezielt auf die genannten vier Impfungen ansprechen – und wer sich dies nicht mehr eigenständig zutraut: Einfach eine Begleitperson bitten, den Arztbesuch zu unterstützen und dort die Gesprächsführung zu übernehmen!“