Wenn Internetnutzung, Kaufen und Glücksspielen zur Sucht werden
Neues ambulantes Behandlungsangebot der MHH für nicht stoffgebundene Abhängigkeiten
Eine Sucht ohne Drogen wie Alkohol oder Kokain – nicht stoffgebundene oder Verhaltenssüchte, wie sie auch genannt werden, spielen in der Gesellschaft eine immer größere Rolle. Gerade während der aktuellen Pandemie lässt sich eine Zunahme der Prävalenz von stoffungebundenen Süchten feststellen. Im Zentrum für Seelische Gesundheit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gibt es ein neues Angebot für ambulante Gruppentherapien zur Behandlung von Computer- und Videospielsucht sowie für Glücksspielsucht. Ein Angebot zur Behandlung von Kaufsucht existiert bereits seit zehn Jahren.
„Computer- und Videospielsucht bezeichnet die entgleiste Nutzung von Onlinespielen, über die die Betroffenen zunehmend die Kontrolle verlieren. Schule, Arbeit und soziale Kontakte werden zugunsten des exzessiven Online-Gaming vernachlässigt“, berichtet Professorin Dr. Astrid Müller, Leiterin der Arbeitsgruppe Substanzungebundene Abhängigkeitserkrankungen der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie.
Auch Glücksspiele an Geldspielautomaten, Poker oder Sportwetten sind in der Bevölkerung weit verbreitet und haben ein hohes Abhängigkeitspotenzial. „Insbesondere Männer im Alter von 14 bis 30 Jahren weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Abhängigkeit auf. Aber nur eine Minderheit der Betroffenen nimmt therapeutische Hilfe in Anspruch“, erklärt Privatdozent Dr. Alexander Glahn, Leiter der Forschungsgruppe „Abhängigkeitserkrankungen“ sowie der Suchtambulanz der psychiatrischen Institutsambulanz.
Frühe Behandlung erhöht Erfolgsaussichten
Mit ihrem niederschwelligen Therapieangebot wollen die MHH-Expertinnen und -Experten die Betroffenen bereits in einem frühen Stadium der Sucht erreichen und so günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung schaffen. Personen mit Computer- und Videospielsucht oder Kaufsucht können sich in der psychosomatischen Ambulanz melden und einen Termin vereinbaren. Menschen mit „Glücksspielsucht“ können sich – mit einer Überweisung durch ihren Hausarzt – ohne vorherige Terminvereinbarung montags, mittwochs und freitags zwischen 9 und 11 Uhr in der psychiatrischen Poliklinik vorstellen.
In den Gruppentherapien werden unter anderem Strategien zur Selbststeuerung und Reduktion der Verhaltensexzesse aufgebaut, es geht aber auch um den Umgang mit Rückfällen oder den Aufbau von alternativen Freizeitaktivitäten.
Das Angebot für eine ambulante Gruppentherapie zur Behandlung der Kaufsucht existiert bereits seit 2012 an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie. „Die gekauften Waren werden verheimlicht, versteckt, entschuldigt, nicht ausgepackt oder gehortet“, erläutert Professorin Müller. „Die Kaufgewohnheiten werden lange Zeit verschwiegen oder verharmlost, führen aber im Laufe der Zeit zu erheblichen psychischen, sozialen und nicht zuletzt finanziellen Problemen“. Die Therapie besteht – wie auch im Fall der Computer- und Glücksspielsucht – aus zwölf Gruppensitzungen, die Behandlung dauert insgesamt etwa vier Monate. Die Gruppen umfassen zwischen sechs bis acht Patientinnen und Patienten.
Die Anmeldung für eine Diagnostik und Behandlung wegen Kaufsucht oder Computer- und Videospielsucht ist möglich über die Spezialsprechstunde der psychosomatischen Ambulanz, Sekretariat Christina Bartels, Telefon (0511)-532-3136.
Die Anmeldung für eine Diagnostik und Behandlung wegen Glücksspielsucht ist möglich über die offene Sprechstunde der Suchtambulanz der psychiatrischen Institutsambulanz (Mo, Mi, Fr 9-11 Uhr), Sekretariat Stephanie Balzer, Telefon (0511)-532-9190.