COVID-19 / Erkrankung
Infektions- und COVID-19-Prophylaxe? Nicht mit Hydroxychloroquin, äusserst unklar mit Ivermectin
Original Titel:
Prophylaxis against covid-19: living systematic review and network meta-analysis
- COVID-19- und Infektions-Prophylaxe mit Medikamenten: Wie ist die Studienlage?
- Systematischer Review mit Netzwerk-Meta-Analyse
- 6 Studien zu Hydroxychloroquin, 3 zu Ivermectin
- Hydroxychloroquin unwirksam zur Verhinderung von COVID-19 und Coronavirus-Infektionen
- Sehr niedriger Evidenzgrad bei Ivermectin-Studien aufgrund ernster Ungenauigkeiten und Bias-Risiken
- Lebender Review wird für 2 Jahre regelmäßig aktualisiert
MedWiss – Wie vielversprechend Medikamente sind, die eine Coronavirus-Infektion oder die Erkrankung COVID-19 verhindern sollen, untersuchten Wissenschaftler nun in einem „lebenden”, systematischen Review, der regelmäßig aktualisiert werden soll, um neue Entwicklungen in der COVID-19-Prophylaxe aufzugreifen. Die Hydroxychloroquin-Prophylaxe verhinderte auf Basis von 6 Studien mit hoher Sicherheit der Evidenz weder Erkrankung noch Infektion. Zu Ivermectin (3 Studien) lagen nur Daten mit sehr niedriger Evidenzsicherheit vor. Mögliche Effekte sind daher äußerst unsicher. Je eine Studie zu Ramipril und Bromhexin-Hydrochlorid konnten aufgrund der zu geringen Teilnehmerzahl nicht in der Analyse berücksichtigt werden. Dieser Review wird nun für bis zu 2 Jahre weiter aktualisiert, schreiben die Autoren.
Es gibt verschiedene Ansätze, Infektionen mit dem neuen Coronavirus zu verhindern, die über Abstand, Hygiene, Masken und Luftfilterung hinausgehen. Ebenso werden auch Wege gesucht, bereits mit dem Virus infizierte Menschen vor dem Ausbruch der Erkrankung COVID-19 zu schützen. Wie vielversprechend bisher zu diesen Zwecken untersuchte Medikamente sind, untersuchten Wissenschaftler nun in einem Review. Dazu erstellten sie einen „lebenden”, systematischen Review, der regelmäßig aktualisiert werden soll, um neue Entwicklungen in der COVID-19-Prophylaxe aufzugreifen.
COVID-19- und Infektions-Prophylaxe mit Medikamenten: Wie ist die Studienlage?
Für diesen systematischen Review mit Netzwerk-Meta-Analyse wurden Daten aus der COVID-19-Datenbank der Weltgesundheitsorganisation, der globalen COVID-19-Fachliteratur bis 25. März 2021 und sechs chinesischen Datenbanken bis 20. Februar 2021 genutzt. Zur Analyse nutzten die Wissenschaftler randomisierte Studien mit Menschen, die eine Risiko für eine COVID-19-Erkrankung hatten und denen entweder eine Prophylaxe oder keine (Standardpflege oder Placebo) verschrieben wurde. Studienergebnisse wurden zusammengefasst analysiert und die Verlässlichkeit der Studien (risk of bias) ermittelt. Auf dieser Basis bestimmten die Forscher die Sicherheit der vorhandenen Evidenz für oder wider den Nutzen eines Medikaments.
Systematischer Review mit Netzwerk-Meta-Analyse: 6 Studien zu Hydroxychloroquin, 3 zu Ivermectin
In der ersten dieser lebenden, also fortlaufend weitergeführten Netzwerk-Meta-Analyse wurden 9 randomisierte Studien betrachtet.
- 6 Studien zu Hydroxychloroquin (n = 6 059 Teilnehmer)
- 1 Studie zu Ivermectin kombiniert mit Iota-Carrageenan (n = 234)
- 2 Studien zu Ivermectin allein (n = 540)
In allen Studien wurden die Wirkstoffe mit Standardpflege oder einem Placebo verglichen. Zwei weitere Studien, eine zu Ramipril und eine zu Bromhexin-Hydrochlorid, hatten nicht die notwendige Teilnehmerzahl für eine Netzwerk-Meta-Analyse.
Hydroxychloroquin hatte nach dieser Analyse triviale bis hin zu gar keine Effekte auf das Risiko für stationäre Behandlung oder Sterblichkeit wegen COVID-19. Die Risikodifferenz für die Krankenhauseinweisung betrug 1 weniger pro 1 000 Studienteilnehmer (95 % Glaubwürdigkeitsintervall: 3 weniger bis 4 zusätzliche Einweisungen; hohe Sicherheit der Evidenz). Die Risikodifferenz für die Mortalität betrug 1 weniger pro 1 000 Teilnehmer (95 % Glaubwürdigkeitsintervall: 2 weniger bis 3 zusätzlich Verstorbene; hohe Sicherheit der Evidenz). Hydroxychloroquin reduziert zudem wahrscheinlich nicht das Risiko für Labor-bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen (2 mehr pro 1 000 Teilnehmer, 95 % Glaubwürdigkeitsintervall: 18 weniger bis 28 mehr; moderate Sicherheit der Evidenz). Das Medikament erhöhte dagegen wahrscheinlich die Zahl adverser Ereignisse und führt damit zu Behandlungsabbrüchen (19 mehr pro 1 000 Teilnehmer; 95 % Glaubwürdigkeitsintervall: 1 weniger bis 70 mehr; moderate Sicherheit der Evidenz). Die Studienanalyse zeigte zudem triviale bis keine Effekte von Hydroxychloroquin auf vermutete, wahrscheinliche oder Labor-bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen (15 weniger pro 1 000 Teilnehmer; 95 % Glaubwürdigkeitsintervall: 64 weniger bis 41 mehr; niedrige Sicherheit der Evidenz).
Hydroxychloroquin unwirksam zur Verhinderung von COVID-19 und Coronavirus-Infektionen
Zu Ivermectin, einem Mittel gegen verschiedene Parasiten, wurde ein sehr niedriger Evidenzgrad ermittelt, der sich aus Studien mit ernstem Bias-Risiko und sehr ernsten Ungenauigkeiten ergab. Die Effekte von Ivermectin in Kombination mit Iota-Carrageenan auf Labor-bestätigte COVID-19-Erkrankungen, von Ivermectin allein auf Labor-bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen sowie auf vermutete, wahrscheinliche oder bestätigte Infektionen mit dem neuen Coronavirus bleiben daher sehr unsicher.
Sehr niedriger Evidenzgrad bei Ivermectin-Studien aufgrund ernster Ungenauigkeiten und Bias-Risiken
Die Hydroxychloroquin-Prophylaxe verhindert demnach keine Krankenhausaufnahme und keinen Todesfall aufgrund von COVID-19. Allerdings erhöht sie wahrscheinlich die Zahl unerwünschter Ereignisse. Auch wird wahrscheinlich nicht das Risiko einer Infektion mit dem neuen Coronavirus durch Hydroxychloroquin verhindert. Zu dem Mittel Ivermectin liegen Studien vor, bei denen besonders großer Zweifel besteht – etwa aufgrund ernster Risiken der Voreingenommenheit oder sehr ernster Ungenauigkeiten. Daher ist höchst unklar, ob Ivermectin, in Kombination mit Iota-Carrageenan oder allein, einen Effekt auf das Risiko für SARS-CoV-2-Infektionen hat. Dieser Review wird nun für bis zu 2 Jahre weiter aktualisiert, wenn neue Evidenz zu verschiedenen diskutierten Prophylaxe-Kandidaten ermittelt wird.
[DOI: 10.1136/bmj.n949]
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