Präventiv einem Bipolar-Risiko junger Menschen begegnen – Umdenken, Fördern, Motivieren
Original Titel:
What Would Digital Early Intervention for Bipolar Disorder Look Like? Theoretical and Translational Considerations for Future Therapies
MedWiss – Wenn ein Mensch an der Bipolaren Störung leidet, steht er selten allein da – mit betroffen sind auch häufig Angehörige, Partner, und auch Kinder. Gerade Kinder sind dabei besonders zu berücksichtigen: sie erleben nicht nur manchmal dramatische Situationen einer schweren Erkrankung, Phasen mit Stress, Unsicherheit und Ängsten. Sie tragen auch ein Risiko für affektive Störungen wie die Bipolare Störung oder eine Depression in sich. Wie kann man den Kindern bipolarer Eltern helfen und ihr Risiko für solche Erkrankungen senken? Ein Experte beschreibt Strategien zur Bipolar-Prävention.
Dem Thema „Frühe Intervention bei bipolarem Risiko“ hat sich nun der Direktor des Centre for Mental Health der Swinburne University im australischen Melbourne, Prof. Murray im renommierten Journal Frontiers of Psychiatry gewidmet. Der Experte für die Bipolare Störung skizzierte darin mögliche Elemente einer solchen frühen Intervention (Link zur Graphik). In blau sind Themen genannt, die konkret auf die Bipolare Störung abzielen: dabei geht es darum, die Krankheit besser zu verstehen, das Stigma abzubauen und einen gesunden Umgang mit der Krankheit und ihren Symptomen zu erarbeiten. Violett sind individuelle Strategien angeführt, die sich als förderlich und stabilisierend gezeigt haben. Da geht es um stabile Tagesabläufe und Schlaf, sozialen Halt durch Freunde und Familie, eigene Ziele zu ermitteln und darauf hinzuarbeiten und um gute Ernährung und Bewegung. In orange sind mögliche aktuelle Sorgen der jungen Menschen aufgeführt, die besonders oft in Zusammenhang mit höherem Risiko einer späteren Bipolaren Störung dokumentiert wurden: der Umgang mit Ängsten, depressiven Symptomen und Aufregungen werden hier genannt.
Frühe Bipolar-Prävention: stabilisieren, fördern, verstehen
Es soll also einerseits auf erste Symptome abgezielt werden, aber andererseits auch gefördert werden, was vor der Erkrankung schützen kann. Dazu gehört auch, dass individuell Ziele erarbeitet werden, um eine hohe Lebensqualität zu erreichen. Individuell ist ein wichtiges Schlüsselwort: Wesentlich erscheint den Autoren nämlich ein personalisierter Inhalt der therapeutischen Maßnahmen – also auf jede Person zugeschnittene Inhalte, die jeden der jungen Menschen ansprechen und erreichen können.
Besonders unterstreicht Prof. Murray aber drei Prinzipien der frühen Intervention:
Schaden minimieren: der Schwerpunkt soll auf Psychotherapie statt auf Pharmakotherapie liegen, wenn keine diagnostizierte bipolare Episode vorliegt oder die Symptome sich verschlechtern.
Symptome behandeln, statt Syndrome zu diagnostizieren: bei einem möglichen Risiko scheint es sinnvoller zu sein, genau die Probleme anzugehen, die konkret vorliegen, statt sich zu sehr auf die mögliche Diagnose zu konzentrieren. Die akuten Probleme, ob beispielsweise Schlafstörungen oder Ängste, stellen eine Möglichkeit dar, die Resilienz der jungen Menschen, also ihre Widerstandskraft, zu stärken.
Junge Menschen als motivierte aktive Partner erkennen: Prof. Murray schreibt: „Beyond the aim of improved resilience, then, early intervention can and should support young people building richness into their lives.“ Frühe Intervention soll demnach nicht nur stärken und schützen, sondern den jungen Menschen helfen, ihr Leben zu bereichern. Ziel einer Intervention ist so nicht nur simple Prävention, sondern eine positive Motivation und bessere Lebensqualität zu schaffen. Denn auf diesem Weg, schließt der Experte, können junge Leute den Wunsch entwickeln, sich selbst stärkend zu verhalten und ihre eigene Prävention aktiv zu betreiben.
Weitere Forschung konzentriert sich nun verstärkt auf digitale Online-Angebote, die jungen Menschen entgegenkommen und eine bessere frühe Intervention und Prävention ermöglichen sollen.
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