Was fördert die Aggressivität kindlicher Neuroblastome?
Wissenschaftler des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universität Heidelberg haben einen wichtigen Schlüssel zur aggressiven Ausbreitung von Neuroblastomen gefunden: FOXR2 heißt das Protein, das auch Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf bei diesen häufigen kindlichen Tumoren zulässt. Es ist bei etwa neun Prozent der Neuroblastom-Patienten vorhanden und meist mit einer schlechten Prognose verbunden. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse helfen nicht nur bei der Einteilung der Patienten in Risikogruppen, sondern liefern auch Ansatzpunkte für neue therapeutische Ansätze.
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD)
In ihren aktuell veröffentlichten Arbeiten, konnten die Forscher des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) und des Deutschen Krebsforschungszentrums nicht nur den Einfluss von FOXR2 auf das aggressive Wachstum von Neuroblastomen nachweisen, sondern auch einen Zusammenhang zwischen FOXR2 und einem weiteren, bereits zuvor bekannten Krebstreiber in Neuroblastomen erkennen: Das Protein MYCN blockiert die Entwicklung von Vorläuferzellen in reife Nervenzellen, so dass sie unbegrenzt teilungsfähig bleiben und zu bösartigen Krebszellen entarten können. „Wir haben in unseren Studien herausgefunden, dass die MYCN-Konzentrationen in FOXR2-bildenden Tumoren stark erhöht sind und dass MYCN durch FOXR2 stabilisiert wird“, sagt Felix Schmitt-Hoffner, Wissenschaftler am KiTZ und Erstautor der Publikation. „Die übermäßige Produktion von MYCN ist ein bereits bekannter Risikofaktor in Neuroblastomen. Bei dem Stabilisierungseffekt durch FOXR2 könnte es sich um einen alternativen Mechanismus handeln, der den MYCN-Spiegel auch ohne die genomische Vervielfältigung des MYCN-Gens in die Höhe treibt.“ Die Daten der wissenschaftlichen Untersuchung stammen aus der Analyse mit Tumorproben von insgesamt 1030 Patienten.
Pro Jahr erkrankt etwa eines von 100.000 Kindern neu an einem Neuroblastom, oft schon im ersten Lebensjahr. Damit sind Neuroblastome eine bei Kindern relativ häufige Gruppe von Tumoren. Sie bilden sich bereits in der Embryonalentwicklung im unreifen Nervengewebe – den Neuroblasten – aus und kommen vor allem in der Nebenniere, der Wirbelsäule, Halsbereich sowie im Brust-, Bauch- und Beckenraum vor. Neuroblastome sind schwer zu behandeln und häufig therapieresistent. Die Prognosen der erkrankten Kinder sind sehr unterschiedlich: Während bei einem Teil der Patienten die Tumoren spontan ausheilen, nimmt die Krankheitsentwicklung bei einem anderen Teil der Kinder einen sehr ungünstigen Verlauf.
„Mit FOXR2 haben wir nun einen unabhängigen prognostischen Faktor identifiziert, der bei Kindern mit Neuroblastomen die Einteilung in Risikogruppen weiter verbessern kann“ erläutert Marcel Kool, Arbeitsgruppenleiter am KITZ und am DKFZ. „Außerdem könnten unsere Erkenntnisse zur Stabilisierung von MYCN durch FOXR2 die schlechten Prognosen einiger Betroffenen erklären und Ansatzpunkte für neue therapeutische Ansätze liefern.“
KiTZ-Wissenschaftler Frank Westermann, Abteilungsleiter am DKFZ und ebenfalls Leiter der Studie ergänzt: „Um die Erkenntnisse für neue therapeutische Ansätze zu nutzen, suchen wir nun gezielt nach Wirkstoffen, die sich gegen FOXR2 richten“.
Original publication:
Schmitt-Hoffner F. et al. FOXR2 stabilizes MYCN protein and identifies non-MYCN-amplified neuroblastoma patients with unfavorable outcome. In: Journal of Clinical Oncology (online publication 10th of June 2021). DOI: 10.1200/JCO.20.02540
Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ)
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine kinderonkologische Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg. Wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, das sich auf Erwachsenenonkologie konzentriert, orientiert sich das KiTZ in Art und Aufbau am US-amerikanischen Vorbild der so genannten „Comprehensive Cancer Centers“ (CCC). Das KiTZ ist gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Es verfolgt das Ziel, die Biologie kindlicher Krebs- und schwerer Bluterkrankungen wissenschaftlich zu ergründen und vielversprechende Forschungsansätze eng mit der Patientenversorgung zu verknüpfen – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Krebskranke Kinder, gerade auch diejenigen, für die keine etablierten Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bekommen im KiTZ einen individuellen Therapieplan, den Experten verschiedener Disziplinen in Tumorkonferenzen gemeinsam erstellen. Viele junge Patienten können an klinischen Studien teilnehmen und erhalten damit Zugang zu neuen Therapieoptionen. Beim Übertragen von Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Klinik übernimmt das KiTZ damit Vorbildfunktion.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg. www.klinikum-heidelberg.de