Mit Atemtest zur richtigen Therapie bei Epilepsie
Luft statt Blut: Forschende der Universität Basel haben eine neue Testmethode entwickelt, um die Therapieerfolge von Epilepsie-Patienten zu messen. Davon versprechen sie sich eine präzisere Reaktionsmöglichkeit bei der Behandlung der Krankheit.
50 Millionen Menschen sind weltweit von Epilepsie betroffen. Die medikamentöse Behandlung der Erkrankung ist eine Gratwanderung, die Dosis muss sehr genau auf die jeweilige Person eingestellt sein. «Ein bisschen zu wenig, und es wirkt nicht, ein bisschen zu viel, und es wird toxisch», erklärt Prof. Dr. Pablo Sinues.
Sinues ist als Botnar-Forschungsprofessor für Pädiatrische Umweltmedizin an der Universität Basel und am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) tätig. Ausserdem ist er Mitglied des Departements für Biomedical Engineering der Universität Basel. Er hat gemeinsam mit Kollegen des Universitätsspitals Zürich (USZ) während zweieinhalb Jahren nach einer Möglichkeit gesucht, wie die Medikamente von Epilepsie-Patienten möglichst genau dosiert werden können. Dazu benutzten sie einen Atemtest. Der Vorteil: Die Kontrolle geschieht nicht über eine Blutprobe, die bei Kindern immer auch ein Stressfaktor sein kann. Und weil die Probe nicht erst ins Labor muss, sind die Resultate sofort verfügbar.
«Sie können es sich vorstellen wie den Alkoholtest, wenn die Polizei Sie beim Autofahrer aus dem Verkehr nimmt», erklärt Sinues. Nur, dass es sich beim Atemmessgerät um eine grosse Maschine handle. «Alkohol ist in hohen Konzentrationen in der Luft, da reicht ein kleines Gerät. Wir suchen nach einem Tropfen in 20 Swimmingpools», so der Botnar-Forschungsprofessor. Mit den Resultaten wollen die Forschenden erkennen, ob die Wirkstoffe in den richtigen Konzentrationen im Körper vorhanden sind und ob sie den gewünschten Einfluss auf die Krankheit haben.
Mit Erfolg: Sowohl bei den jungen Patientinnen und Patienten am UKBB als auch bei der erwachsenen Referenzgruppe am Universitätsspital Zürich führten die Atemtests zu den gleichen Resultaten wie die konventionellen Blutuntersuchungen, schreibt die Forschungsgruppe in ihrer Studie, die in «Communications Medicine» erschien. Das bedeutet, dass es neben den Blutuntersuchungen eine zweite Möglichkeit gibt, um die Epilepsie-Therapie zu monitoren. Und die Methode gibt noch weitere Informationen zum Stoffwechsel der Patientinnen und Patienten, die die Ärzte für die Therapie nutzen können.
Das Besondere an diesem Forschungsprojekt sei die Verzahnung zwischen Wissenschaft und medizinischer Praxis, die an der Universität Basel einmalig sei, sagt Sinues: «Dank dieser Ausgangslage können wir Maschinen bauen, die genau auf die Bedürfnisse der Ärztinnen und Ärzte abgestimmt sind.»
Am UKBB ist insbesondere die schnelle Verfügbarkeit der Testresultate ein grosser Vorteil der neuen Messmethode: Die jungen Patientinnen und Patienten brauchen eine ständige Anpassung ihrer Medikamente, weil sich ihr Stoffwechsel mit dem Wachstum verändert. Mit der neuen Technologie erhalten die Ärzte einen nicht-invasiven Test, der ihnen sofort Anhaltspunkte gibt, wie erfolgreich die angewendete Therapie verläuft. Entsprechend schnell können sie reagieren, wenn das Medikament anders dosiert werden muss.
Vier Jahre lang dauerte es bis zu diesem Durchbruch. Noch kann die Technik nicht flächendeckend angewendet werden – das ist aber das erklärte Ziel von Sinues: Das eigens dafür gegründeten Start-up «Deep Breath Intelligence» soll für die Messmethode die Lizenz erwerben.
Originalpublikation:
Personalised therapeutic management of epileptic patients guided by pathway-driven breath metabolomics
DOI 0.1038/s43856-021-00021-3
Link zum Nature-Artikel