Homeoffice als neue Routine: Die Arbeitskultur in Deutschland hat sich nachhaltig verändert

Eine Studie der Universität zu Köln geht davon aus, dass auch in Zukunft mehr von zuhause gearbeitet wird und dass die Arbeitsbewertung ergebnisorientierter wird / Umfrageergebnisse im August 2021 erschienen

Eine Befragung des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln hat gezeigt, dass nach einem Jahr Pandemie im öffentlichen Dienst und im Bereich IT und technische Dienstleistungen die Präsenzkultur zurückgegangen und die Homeofficekultur angestiegen ist. Über ein Jahr nach Beginn der Covid-19-Pandemie ist Homeoffice nicht mehr nur ein pandemiebedingter Ausnahmezustand, sondern gehört inzwischen für viele Beschäftigte und Arbeitgeber zum Alltag.

Das IMVR hatte bereits im Mai 2020, während des ersten Lockdowns, zwei Onlineerhebungen durchgeführt. Via LinkedIn haben 352 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst an der Umfrage teilgenommen. Über Facebook und Instagram wurden zudem 1.933 Personen aus dem Bereich IT und technische Dienstleistungen rekrutiert. In der Folgebefragung im Mai/Juni 2021 wurden 73 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst und 236 Personen aus dem Bereich IT und technische Dienstleistungen über Facebook und LinkedIn erneut zu ihrer Arbeitssituation befragt, nachdem sie sich nun seit knapp einem Jahr im Homeoffice befinden. Das Forschungsteam um Professor Dr. Holger Pfaff, Direktor des IMVR und Leiter der Studien, interessierte in diesem Zusammenhang vor allem, inwieweit sich auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite die Einstellung gegenüber der Arbeit im Homeoffice verändert hat und wie die neuen Arbeitsbedingungen die mentale Gesundheit beeinflussen. Außerdem sollte untersucht werden, ob die Pandemie den Anstoß zu einer ergebnisorientierten Organisationskultur geben konnte.

Die Ergebnisse zeigen, dass 38 Prozent der Befragten aus dem öffentlichen Dienst mehr als 75 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Im Bereich IT und technische Dienstleistungen sind es sogar knapp 74 Prozent der Befragten, die mehr als 75 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Etwa 90 Prozent der Befragten beider Branchen geben an, dass sie sich zu Hause einen festen Arbeitsplatz eingerichtet haben. Im öffentlichen Dienst haben knapp 80 Prozent der Teilnehmer:innen eine feste Tagesroutine im Homeoffice entwickelt. Im Bereich IT und technische Dienstleistungen geben dies etwa 83 Prozent der Befragten an.
Die Umfragen zeigen insgesamt einen Trend hin zu einer stärkeren Homeofficekultur mit dem Fokus auf Arbeitsergebnissen statt möglichst langer Anwesenheitszeiten im Büro. Über 80 Prozent der Befragten aus beiden Zielgruppen gaben an, dass es Strategien und Regelungen zur Arbeit im Homeoffice gibt. 68,5 Prozent der Teilnehmer:innen aus dem öffentlichen Dienst sagten, dass Maßnahmen zur Arbeit im Homeoffice für Beschäftige in der Dienststelle generell als sinnvoll angesehen werden. Im IT-Bereich sind es sogar 86,4 Prozent, die dem zustimmen.

Ebenfalls zeigt sich in den offenen Antworten bezüglich wahrgenommener Veränderungen während des letzten Jahres, dass nach anfänglicher Skepsis Homeoffice nun mehr akzeptiert wird und nicht mehr nur für einen bestimmten Personenkreis zugänglich ist. Auch hinsichtlich der Führungskräfte zeigt sich ein Wandel: Homeoffice wird im IT-Bereich inzwischen von 64,9 Prozent der Führungskräfte vorgelebt. Im öffentlichen Dienst sind es 61,7 Prozent.

Neben vielen auch gesundheitlichen Vorteilen, die das Arbeiten im Homeoffice mit sich bringt, birgt es jedoch auch Gefahren: Zum zweiten Befragungszeitpunkt zeigte sich, dass knapp 70 Prozent der Befragten aus dem öffentlichen Dienst und 60 Prozent aus dem IT-Bereich dazu neigen, sich im Krankheitsfall nicht krank zu melden, sondern im Homeoffice weiterzuarbeiten. Eine weitere Belastung im Homeoffice während der Pandemie stellt nach wie vor die Kinderbetreuung dar. In den offenen Antworten wird teils berichtet, dass auch Schulen sehr viel Mithilfe von den Eltern im Homeschooling verlangen und die liegengebliebene Arbeit von Beschäftigten dann zum Teil abends oder nachts nachgeholt wird.

In Bezug auf die mentale Gesundheit weisen nach einem Jahr im Homeoffice 60 Prozent der Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst ein hohes Wohlbefinden auf. Bei den Befragten aus dem Bereich IT und technische Dienstleistungen gaben 65 Prozent ein hohes Wohlbefinden an.

Nach der Pandemie wieder vollständig in Präsenz zu arbeiten, ist für viele Beschäftigte nicht mehr denkbar. Die Arbeit in Präsenz und im Homeoffice haben jeweils situationsbezogene Vor- und Nachteile. Professor Pfaff und sein Team sehen daher in einem hybriden Arbeitsmodell eine Arbeitsform der Zukunft.

Publikationen:

Öffentlicher Dienst: https://kups.ub.uni-koeln.de/53129/
IT und technische Dienstleistungen: https://kups.ub.uni-koeln.de/53155/