Eigennutz begünstigt das Contact Tracing via Smartphone
Warum installieren Menschen eine Corona-Warn-App auf ihrem Handy – oder nicht? Dem gingen Forschende der Abteilung Economic Psychology an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel nach. Das Fazit: Selbstschutz und technisches Verständnis sind wichtiger als der Schutz anderer.
Wenn man zurückverfolgt, wann eine mit dem Coronavirus infizierte Person mit wem Kontakt hatte, kann man Infektionsketten unterbrechen und die Ausbreitung von Covid-19 eindämmen. Bei diesem Contact Tracing helfen Apps wie SwissCovid des Bundesamts für Gesundheit. Sie werden auf dem Smartphone installiert, das viele Menschen ohnehin immer bei sich tragen (siehe Box unten). Je mehr Menschen solche Warn-Apps auf ihrem Handy aktiviert haben, desto besser funktioniert das Contact Tracing.
Forschende der Universität Basel haben untersucht, was Menschen dazu bewegt, die App herunterzuladen. Sind es selbstlose Gründe oder sind Selbstschutz und die eigene Einstellung gegenüber Risiken wichtiger? «Diese psychologische Perspektive wurde in der Forschung rund um Corona-Warn-Apps bisher nicht untersucht», begründet die Kognitionspsychologin Dr. Jana Jarecki die Motivation hinter der Studie. Die Ergebnisse sind jüngst im Journal «Humanities & Social Sciences Communications» erschienen.
Risikoeinschätzung beeinflusst das Verhalten
Altruistische Motive wären etwa, andere Personen zu schützen sowie das gemeinsame gesellschaftliche Bestreben, die «Kurve flach zu halten» und so das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.
Im Gegensatz dazu gibt es persönliche Beweggründe für die Nutzung von Corona-Apps, abhängig davon, wie man ein Risiko für sich selber einschätzt – etwa sich anzustecken und unter unangenehmen Folgen zu leiden. Aus der Risikoforschung ist bekannt, dass Menschen im Allgemeinen ein bestimmtes Risiko nicht eingehen, wenn sie dieses als hoch einschätzen. Dagegen gehen risikofreudigere Menschen ein Risiko ein, selbst wenn sie es als eher hoch einschätzen. Risikoeinschätzung und Risikotoleranz stellen also ebenfalls psychologische Einflussgrössen dar, die sich auf die Nutzung von Corona-Apps auswirken könnten.
Um zu ergründen, was Menschen tatsächlich motiviert, Corona-Warn-Apps zu benutzen, befragten die Forschenden im Rahmen einer repräsentativen Stichprobe 757 Personen aus der Deutschschweiz zwischen 18 und 79 Jahren mittels Online-Fragebogen. Die Befragung fand im Juni 2020 statt – kurz nachdem die Schweizer Warn-App SwissCovid auf den Markt gekommen war und als es noch keinen zugelassenen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 gab. Zum Zeitpunkt der Studie hatten lediglich 27 Prozent der Schweizer Bevölkerung eine Corona-Warn-App installiert. Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand ist das zu wenig, um dem Virus entscheidend entgegenzuwirken.
Eigenes Wohlergehen überwiegt Gedanken an andere
Die Auswertung der Rückmeldungen zeigt: Zwei wichtige Faktoren sind die Risikowahrnehmung und die persönliche Risikoeinstellung. Das heisst, je höher Menschen das Risiko für die eigene Gesundheit einschätzen, desto eher nutzen sie die App. Und je niedriger sie das Risiko für einen Missbrauch ihrer Daten einschätzten, desto eher installieren sie die App. Allerdings räumt Jana Jarecki ein: «Da die Befragung online stattfand, haben wir lediglich selbstberichtete Fragebogendaten und konnten nicht überprüfen, ob Menschen, die behaupteten, die Covid-App installiert zu haben, dies auch tatsächlich getan hatten. Wir denken jedoch, dass die Befragten keinen Anreiz hatten, hier die Unwahrheit zu sagen.» Weiter beeinflusst ein gutes Wissen um deren Funktionsweise die Nutzung der Apps sehr stark.
Das Gemeinwohl und der Schutz anderer spielen allerdings eine untergeordnete Rolle, obschon es plausibel scheint, dass Menschen, denen das Gemeinwohl am Herzen liegt, die App eher nutzen würden. Menschen, die die Risiken von Corona für die Wirtschaft höher einschätzten, waren eher nicht gewillt die App zu nutzen. «Dies widerspricht unseren Erwartungen», sagt Jarecki. Hingegen sind Personen, die die allgemeinen politischen Massnahmen gegen die Verbreitung von Corona unterstützen, eher daran interessiert, die App zu installieren.
Aus den Resultaten kann man nun ableiten, wo Behörden künftig ansetzen könnten, um mehr Menschen von der Nutzung einer Warn-App zu überzeugen: Aus psychologischer Sicht sollte man den Vorteil herausstreichen, dass die App das Risiko, selber zu erkranken, verringern könnte. «Zudem ist es zentral, Menschen – besonders jene, die Technik nicht unbedingt lieben – darüber aufzuklären, wie solche Applikationen funktionieren», resümiert Jana Jarecki. Das Argument, dass die Warn-Apps einen direkten gesellschaftlichen Nutzen haben können, ziehe hingegen weniger.
Die Kontaktnachverfolgung funktioniert, indem zwei Handys, die sich begegnen, einen einmalig erstellten zufälligen Zahlencode austauschen. Jedes Handy speichert zeitlich begrenzt sowohl die eigenen Zahlencodes als auch jene der Handys, die nahe bei ihm waren. Wenn der Besitzer eines dieser beiden Handys positiv auf das Corona-Virus getestet wurde und diese Information in der App registriert, werden mittels dieser hinterlegten Zahlencodes alle Handys benachrichtigt, mit denen das Handy der infizierten Person in den letzten zwei Wochen Kontakt hatte. So wissen die anderen Handybesitzer, dass sie möglicherweise mit einer erkrankten Person in Kontakt waren.
Diese Kontaktnachverfolgung mittels Handy-Apps gilt als sehr effiziente Methode, um eine Verbreitung eines Virus wie Sars-CoV-2 einzudämmen. Für die Wirksamkeit dieser Massnahme müsste jedoch ein Grossteil der Bevölkerung diese Warn-Apps nutzen und deren Anweisungen folgen.
Originalpublikation
Albrecht, R., Jarecki, J.B., Meier, D.S. et al. Risk preferences and risk perception affect the acceptance of digital contact tracing.
Humanities & Social Sciences Communications (2021), doi.org/10.1057/s41599-021-00856-0